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Terror, Chaos, Ärger

Das Ende der Afghanistan-Intervention stürzt nicht nur Afghanistan in Terror und Chaos, auch die Zerstrittenheit innerhalb der EU wird überdeutlich

Aus Brüssel Eric Bonse

Viele EU-Länder hatten es befürchtet – und schon am Donnerstag ihre Rettungsaktionen in Kabul abgebrochen. Als dann die Meldungen von den Selbstmordanschlägen des „Islamischen Staats“ kamen, war der Schock dennoch groß. „Die internationale Gemeinschaft muss eng zusammenarbeiten, um ein Wiederaufflammen des Terrorismus in Afghanistan und an anderen Orten zu verhindern“, forderte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Oberste Priorität hat plötzlich wieder die Sicherheit – vor allem die der eigenen Leute.

So geht ein unrühmliches Kapitel der europäischen Außenpolitik zu Ende – in Terror und Chaos. Dabei hatte es vielversprechend angefangen. „Gemeinsam rein, gemeinsam raus“, hatten sich die Alliierten der USA geschworen. Gemeinsam würde man den Terror bekämpfen – und dann geschlossen aus einem wieder sicheren Land abziehen. Am Ende war davon wenig zu sehen.

Die Evakuierung aus Kabul hat jedes Land für sich organisiert, die EU spielte kaum eine Rolle. Nur wenn es noch freie Plätze gab, durften EU-Bürger anderer Länder mit an Bord. EU-Behördenchefin Ursula von der Leyen nahm zwar am G7-Krisengipfel zu Afghanistan teil. Sie hielt es aber nicht für nötig, eine Sondersitzung in Brüssel einzuberufen.

Das erledigte der slowenische EU-Vorsitz – zu spät für eine EU-weite Abstimmung der Rettungsaktionen, wie sich am Donnerstag zeigte. „Unsere Priorität ist, die Evakuierung so schnell wie möglich zu beenden“, sagte der Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell. „Wir sind in der operativen Phase, das Nachdenken über die Folgen kommt später“, ergänzte von der Leyens Sprecher. Zunächst gehe es darum, die Rettungsaktion abzuschließen und die EU-Staaten bei der Aufnahme von Afghanen zu unterstützen.

Doch wer ist bereit, Flüchtlinge aufzunehmen? Ist es überhaupt Aufgabe der EU-Kommission, dabei zu helfen? Darüber ist heftiger Streit entbrannt. Die EU werde keine europäischen humanitären Migrationskorridore nach Afghanistan öffnen. „Wir werden nicht zulassen, dass sich der strategische Fehler von 2015 wiederholt“, twitterte Regierungschef Janez Janša, der seit Juni die halbjährlich rotierende EU-Ratspräsidentschaft innehat.

Dagegen fordert das Europaparlament, die EU müsse so viele Schutzbedürftige wie möglich aufnehmen. Doch wer ist schutzbedürftig? Und wie geht es nach dem Ende der Militärflüge aus Kabul weiter; wird es zivile Evakuierungstransporte geben?

Erste Antworten soll ein Krisentreffen der Innenminister liefern, das Janša für Dienstag einberufen hat. Es dürfte turbulent werden.

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