piwik no script img

taz-Autor:innen und die WahlEy, Mann, echt jetzt, spinnst du!

Im heimeligen Berliner Späti und auf dem partiell hippen Neuköllner Trottoir sind die Wahlentscheidungen bereits gefallen. Eindrücke unserer Autorin.

Hellblau mit einem Stich ins Trostlose Foto: Frank Hoermann/Sven Simon/imago

Wer hat’s gesagt? Gerne wüsste ich in diesem Moment, welchem der beiden Youngster ich welche Parteienpräferenz zuschanzen kann, die sie da gerade – „Ey, Mann, Alter, echt, ey“ – äußern. Allein die beiden verdeckt ein guter alter Zeitungsständer mit Printprodukten, hier im heimeligen Berliner Spätkauf meiner Präferenz namens „Heim Getränke“. Ich also draußen auf dem partiell hippen Neuköllner Trottoir, gewählt habe ich schon; der „Wahlbrief“ ist bereits im Postbriefkasten meines Vertrauens gelandet.

Auf der Rückseite des Briefs steht traditionell eines meiner allzeit und stets verschraubten Lieblingswörter: „Sodann“. Da heißt es nämlich: „In diesen Wahlbriefumschlag müssen Sie einlegen: 1. den Wahlschein und 2. den verschlossenen blauen Stimmzettelumschlag mit allen darin befindlichen Stimmzetteln. Sodann den Wahlbriefumschlag zukleben.“ Schockschwere Not! Wo war bloß der Wahlschein hingekommen, damit ich ihn „sodann“ in dieses behördliche Etwas einlegen konnte? Ach da. Es ist dann noch mal gutgegangen mit mir und der Briefwahl.

Ein bisschen Spaß muss sein

Die Farbe des Wahlbriefs, hellblau mit einem Stich ins Trostlose, erinnert mich an meine ersten Schuljahre Mitte der 1970er Jahre. Damals wurden Arbeitsblätter noch per Matrize angefertigt, sie kamen schrill rosa, hellgrün oder vio­lett daher. Schule war und ist schon seltsam.

taz-Serie Meine Wahl

Wen wählen eigentlich die Leute, die für die taz arbeiten? In unserer Serie berichten Au­to­r:in­nen und Redakteure über ihre ganz persönlichen Überlegungen zur Bundestagswahl am 26. September.

Wählen auch. Wenigstens die zwei Youngster und ich haben uns bereits entschieden, „Ey, Mann, Alter, ey, weißt du, ich wähl AfD, weißt du“, sagt der eine vom Zeitungsständer Verdeckte zum anderen. – „Ey, Mann, echt jetzt, spinnst du, oder was ey, ich wähl die Linke!“ Danach beharken sich beide noch ein wenig und recht lautmalerisch durch ihre talibanesk getrimmten Rauschebärte, wie ich beim Betreten des Kiosk erleben darf. So mit: „Echt jetzt, haalloo!“ Ich investiere zwei Euro in eine Ausgabe der Poschardt-Postille Die Welt. Die Zeile „Intellektuelle wollen Union und FDP das Denken lehren“ auf dem Titel finde ich dann doch so lustig, dass ich eine Münze in den Sprin­ger’schen Klingelbeutel fallen lasse.

„Konservative und Liberale bereiten Gründung einer Denkfabrik als Gegengewicht zu Rot-Grün vor“, droht der Ex-tazler, der wortweltgewaltige Robin Alexander darin an; Vordenkerin soll keine geringere Intellektuelle als die ehemalige CDU-Bundesfamilienministerin Kristina „Schnarch“ Schröder sein, die heute als Anwältin praktiziert. Die Vorstellung, wie Kristina Schröder dann Friedrich „Aufschneider“ Merz in ihrer nigelnagelneuen Denkfabrik „das Denken“ lehrt, amüsiert mich noch zutiefst, als ich schon längst hoch oben bei mir zu Hause angekommen bin.

Was ich gewählt habe? Ey, Mann, echt jetzt? Sodann! Im Bund Grün/Grün, in Berlin Grün/links, im Bezirk Neukölln Die Partei. Ein bisschen Spaß muss sein.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Mir fiel blitzartig, aus welchen Gründen auch immer, der taz-Artikel 'Kaum Verlass auf die Urteilskraft' ein (Glosse hin oder her).



    taz.de/Bestseller-...ehigkeit/!5800585/

  • Der Wahlschein und das korrekte Befolgen der Anweisung ist entscheidend.



    Als ich vor Jahren mehrmals Mitglied im Briefwahlvorstand einer kleinen Gemeinde war schockierte mich die Menge an unkorrekt zurückgesandten Umschlägen.



    Ein Briefumschlag in dem nur der Umschlag für den oder die Stimmzettel war, der Wahlschein aber nicht separat (weil evtl. im Umschlag mit den Stimmzetteln) galt als nicht abgegebene Stimme.



    Dadurch wurden diese, inkorrekt eingetüteten, Stimmzettel nicht als zurückgesandte Wahlunterlagen erfasst und ihre Zahl auch nicht seperat im Protokoll erfasst.



    Die Menge der falsch eingetüteten Wahlscheine ging also in der Differenz zwischen den angeforderten Briefwahlunterlagen und den zurückgesandten Unterlagen unter.



    Die im Protokoll erfassten ungültige Stimmen sind dann noch die korrekt abgegeben Umschläge mit Stimmzetteln bei denen der Wählerwille nicht erkennbar war.

    Ich habe mir vorgenommen bei der bevorstehenden öffentlichen auszählung mal wieder vorbeizuschauen...

    PS.:Dies ist keine Verschwörungstheorie und keine Betrugsfantasie nach US Vorbild.

    • @Mr.Henry:

      Der Grund für das Procedere ist klar: Ist der Wahlschein im Umschlag mit den Stimmzetteln, so ist das Wahlgeheimnis gefährdet; ist der Wahlschein gar nicht dabei, kann die Stimme sowieso nicht gezählt werden.

      Also alles korrekt. Kein Verdacht auf Verschwörung!

    • @Mr.Henry:

      Ja, als Wahlhelfer erlebt man so seine Valentinaden!



      Den Vogel abgeschossen hat in meiner Ägide eine alte Dame, die mir ungefragt eröffnete sie habe eben die "Deutsche Kommunion Partei" gewählt. "Das wird dann schon das Richtige sein!", meinte sie.

      • @LittleRedRooster:

        Kommunion ist das Opium katholischer Marxisten, sodann.