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Seehofer will alle Ortskräfte aus Afghanistan holen

Der Innenminister möchte für Gefährdete Visaverfahren erst im Nachhinein. Die damit verbundenen Risiken müsse man eingehen, sagt er in Berlin

Bundesinnenminister Horst Seehofer hat sich dafür ausgesprochen, alle Ortskräfte in Afghanistan auszufliegen. „Es ist vollkommen unbestritten, dass die Ortskräfte und ihre Familienangehörigen nach Deutschland kommen sollen und dass es dafür auch eine moralische Verantwortung gibt“, sagte der CSU-Politiker am Donnerstag in Berlin.

In diesem Zusammenhang hob er die Möglichkeit hervor, Visaverfahren und Sicherheitsüberprüfung auch erst nach der Einreise der Betroffenen durchzuführen. Seehofer räumte ein, dass dies ein gewisses Sicherheitsrisiko beinhalte, betonte aber: „Wenn man hier eine Lösung will, dann muss man dieses Risiko eingehen.“ Zudem sei die notwendige Sicherheitsüberprüfung keine Sache von Tagen oder Wochen, sondern lediglich von Sekunden.

Zudem befürwortete er Gespräche mit den radikalislamischen Taliban, um auf diesem Wege eine sichere Ausreise zu erreichen. „Ich halte Kontakte mit den Taliban für richtig“, sagte Seehofer. Zugleich sprach er sich dafür aus, dass die afghanischen Ortskräfte mit ihren Familien nach Deutschland einreisen können. Es müssten alle Hebel in Bewegung gesetzt werden, damit die in Afghanistan gefährdeten ehemaligen Hel­fe­r:in­nen etwa von Bundeswehr und Polizei den Flughafen in Kabul erreichen und ausfliegen könnten.

Seehofers Parteifreund Markus Söder erhob mit Blick auf die Situation in Afghanistan Vorwürfe gegen die Bundesregierung und die EU. „Insgesamt gibt die Bundesregierung kein starkes Bild in dieser Situation ab“, sagte Söder nach einer Sitzung des CSU-Parteipräsidiums in München. Die EU sei ihrerseits weitgehend „sprachlos“.

Es gebe Versuche gegenseitiger Schuldzuweisungen zwischen Auswärtigem Amt, Geheimdienstorganisationen und anderen Ministerien, sagte Söder. „Wir glauben nicht, dass das eine besonders souveräne Außenwirkung ergibt, wenn die deutsche Bundesregierung den Eindruck vermitteln, dass im Nachhinein über Zuständigkeitsfragen diskutiert wird“, sagte der CSU-Chef.

Söder hält aber auch nichts von Rücktrittsforderungen. „Wir gehen ohnehin davon aus, dass der Großteil der Betroffenen und in der Diskussion stehenden Personen nach der Wahl nicht mehr für neue Amtsaufgaben zur Verfügung steht, jedenfalls würden wir auch darauf drängen, dass das dann so ist.“ Er fügte mit Blick auf Heiko Maas (SPD) hinzu: „Insbesondere, was den Außenminister betrifft.“ Insgesamt sei Afghanistan der größte Rückschlag für westliche Bemühungen in der Welt seit Vietnam, sagte Söder.

Söder verlangte, die Frage von möglichen Flüchtlingsbewegungen aus Afghanistan aus dem Bundestagswahlkampf herauszuhalten. Es gehe darum, nun über eine großzügige finanzielle Ausstattung des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR vor allem die Nachbarländer Afghanistans zu unterstützen um nicht die Fehler aus der Syrien-Krise des Jahres 2015 zu wiederholen. (rtr, dpa, tat)

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