geht’s noch?
: Alarm für Ringelnatter 11

Im Schwäbischen sorgte diese Woche eine vermeintliche Kobra für einen Großeinsatz. Aber egal was für eine Natter sich durch den Vorgarten ringelt: Grund zur Panik gibt es kaum

Nach jeder Katastrophe ganz wichtig: „Lessons learned.“ Vielleicht deshalb wollte man unter dem Eindruck der verheerenden Starkregenfluten dieses Sommers im schwäbischen Kirbachtal jetzt mal ganz sichergehen. Und hat die Einwohner vergangenes Wochenende mittels Warn-App Nina und Lautsprecherdurchsagen vor einer tödlichen Gefahr gewarnt: einer Kobra!

Nanu, wegen einer durch die Gegend kriechenden Kobra soll man das Haus nicht mehr verlassen? Eine interessante Information für wahrscheinlich Milliarden Menschen in Asien und Afrika, die jederzeit damit rechnen müssen, im Garten oder im Keller auf eine dieser recht weit verbreiteten Giftschlangen zu treffen, die als „Kulturfolger“ nicht mal scheu sind. Warnt Nina demnächst vor allen Todesgefahren? Etwa, wenn sich irgendwo ein Auto nähert? Ach, richtig: Ein solches Warnsystem gibt es bereits, es heißt Verkehrsfunk.

Im Städtchen Sachsenheim jedenfalls ging man auf Nummer sicher und schickte Polizei, Feuerwehr und Hubschrauber mit Wärmebildkameras aus, um der Schlange (Bild-Zeitung: „Wenn sie spuckt, kann das tödlich enden“) habhaft zu werden.

Und dann das: Die Kobra war … – eine ganz normale einheimische Ringelnatter, wie man sie an jedem besseren Froschtümpel überall in Deutschland findet. Eine Ringelnatter zumal, die auf dem Handy-Video, das den ganzen Alarm ausgelöst hat, ganz normale Ringelnatter-Sachen macht: schnell wegschlängeln und dabei aufgeregt den Hals abspreizen, um größer zu wirken. Immerhin, Evolution funktioniert bestens – die beabsichtigte abschreckende Wirkung hatte das offenbar.

Alle paar Jahre bis Jahrzehnte kommt es in Deutschland tatsächlich vor, dass eine entfleuchte Giftschlange aktenkundig wird. Zahl der dabei zu Schaden gekommenen Menschen bislang: exakt null. Verglichen mit der Wahrscheinlichkeit, hierzulande von einer Kobra gebissen zu werden, ist die Spekulation auf einen Sechser im Lotto eine seriöse Altersvorsorge. Also bitte: ganz ruhig bleiben. Und womöglich im Schulunterricht künftig ein bisschen mehr Wert auf Grundkenntnisse der heimischen Fauna legen.

Tierhalter können übrigens zur Kasse gebeten werden, wenn ihre Pfleglinge entwischen und die Feuerwehr deswegen anrückt. Vielleicht sollte man Ähnliches auch erwägen für das Auslösen von Großeinsätzen, nur weil jemand im Freien auf etwas ganz Merkwürdiges gestoßen ist, womit er gar nicht gerechnet hat: Natur. Heiko Werning