Die Basis-Kandidat Sucharit Bhakdi: Impfskepsis und Antisemitismus
Sucharit Bhakdi ist Bundestagskandidat der „Basis“. Nach antisemitischen Aussagen beenden sein Verlag und ein TV-Sender die Zusammenarbeit mit ihm.
Tief betroffen und besorgt gibt sich der Facharzt für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie, der zuletzt von 2016 bis 2020 Gastwissenschaftler an der Medizinischen Fakultät der Kieler Universität war, aber auch über die Impfungen in einem anderen Land: Israel. Der jüdische Staat sei durch seine Impfpolitik schlimmer als das nationalsozialistische Deutschland, sagt Bhakdi. „Deshalb ist Israel jetzt living hell – die lebende Hölle“.
Das Interview fand bereits im April dieses Jahres statt und ist in voller Länge auf der Internetseite Stuhts zu sehen. Vor gut einer Woche war dann ein Trailer zum Interview bei Youtube aufgefallen. Mit seiner Darstellung betreibe Bhakdi eine Relativierung des Nationalsozialismus und eine Täter-Opfer-Umkehr, kritisierte das Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus (JfDA) daraufhin auf Twitter. Es sei „empörend, aber kaum überraschend, dass Bhakdi, eine zentrale Figur des corona-verschwörungsideologischen Spektrums, derartige Aussagen tätigt“. Der moderne Antisemitismus müsse als eine Art prototypische Verschwörungsideologie betrachtet werden, twitterte das JfDA am Mittwoch.
Ab der 25. Minute führt Bhakdi im Interview ausführlich aus, dass man aus Israel nicht mehr flüchten könne. Das „Volk“ habe er bewundert, er sei ein „Judenbewunderer“, der sehr für „jüdische Musiker“ schwärme, sagt er weiter. Dann allerdings betont er: „Das Volk, das geflüchtet ist aus diesem Land, aus diesem Land, wo das Erzböse war, (…), und haben ihr Land gefunden, haben ihr eigenes Land in etwas verwandelt, was noch schlimmer ist, als Deutschland war. So unfassbar. (…) Das ist das Schlimme an den Juden: Sie lernen gut. Es gibt kein Volk, das besser lernt als sie. Aber sie haben das Böse jetzt gelernt – und umgesetzt“.
Goldegg Verlag beendet Zusammenarbeit
Vor diesen Sätzen warnt Bhakdi, der dabei eindringlich in die Kamera blickt, dass es „um euch geschehen“ sein werde, wenn „wir“ in Deutschland jetzt „nicht aufstehen“ gegen die Impfung, die zu Zwang werde. Impfen sei „blödsinnig“, „wahnsinnig“ und „zu gefährlich“. Längst denke er, sagt der bekennende Buddhist, dass die Kanzlerin und das Kanzleramt die Bevölkerung absichtlich gefährden wollen. Die Ärzteschaft hätten sie gespalten. Auf der einen Seite gebe es jene, die überzeugt seien, angemessen gegen die Pandemie zu handeln. Auf der anderen Seite stünden jene, die zwar nicht an die Maßnahmen glaubten, sie aber aus Existenzängsten mittrügen.
In Österreich haben Bhakdis Aussagen bereits erste Konsequenzen. Der Goldegg Verlag, bei dem die von Sucharit Bhakdi gemeinsam mit Karina Reiß verfassten Bücher „Corona Fehlalarm?“, „Corona unmasked“ und „Schreckgespenst Infektionen“ erschienen sind, beendet die Zusammenarbeit. Der Verlag bilde zwar „ein breites Meinungsspektrum“ ab und trage „bewusst zum gesellschaftlichen Diskurs bei“, schrieb er in einem Tweet, aber „antisemitische oder rechtsextreme Ansichten tolerieren wir nicht“.
Gegründet wurde die Basisdemokratische Partei Deutschland (Kurzform: dieBasis) im Juli 2020 im Umfeld der Proteste gegen die Coronamaßnahmen.
Erstmals angetreten ist die Partei im März 2021 bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg. Dort erreichte sie rund ein Prozent der abgegebenen Stimmen.
Etwa 25.000 Mitglieder verzeichnete die Partei Anfang Juni 2021.
Die Partei strebt in anthroposophischer Tradition die „Entflechtung des geistig-kulturellen, rechtlichen und wirtschaftlichen Bereichs“, im Sinne einer sozialen Dreigliederung an.
Die vier Säulen ihrer Arbeit seien die Schlagworte Freiheit, Machtbegrenzung, Achtsamkeit und Schwarmintelligenz.
Die aktuellen Aussagen des Autors könne man „nicht nachvollziehen, sie stehen außerhalb unseres Verständnisses“. Fortan seien keine neuen Bücher mehr geplant und auch die älteren Titel würden nicht mehr nachgedruckt.
Die Titel sind Bestseller über die Querdenken- und Coronaleugnungs-Bewegung hinaus. Mit „Corona Fehlalarm?“ wurden Bhakdi und Reiß zu Stars der vermeintlichen Freiheitsrechteschützer:innen und Grundgesetzbewahrer:innen – das Fragezeichen im Titel ist bloß rhetorisch und nicht als offene Frage gemeint.
Das Ehepaar hat auch schon früher gemeinsam kritisch zum Thema Impfungen publiziert. An der Universität Kiel leitet die Biochemikerin Reiß an der Haut-Klinik eine Arbeitsgruppe mit ihrem Namen.
Das Ansehen des deutschen Infektionsepidemiologen stieg auch durch Fernsehauftritte bei dem österreichischen Sender Servus TV, wo Bhakdi oft Talk-Gast war. In einer Servus-TV-Reportage vom Februar führte er aus: „Es gibt keine Epidemie oder Pandemie mehr. Das ist die einfache Tatsache. Und deswegen muss alles jetzt aufhören.“ Auch der Sender aus Salzburg erklärte nun die Zusammenarbeit mit Bhakdi für beendet.
Anzeige wegen Hetzens
Und auch rechtliche Konsequenzen könnten in Deutschland folgen: Der Antisemitismus-Beauftragte der jüdischen Gemeinde zu Berlin, Sigmount Königsberg, hat Strafanzeige gegen Bhakdi wegen Volksverhetzung gestellt.
Die Partei „Die Basis“ steht weiterhin zu ihrem Kandidaten, hält den Vorwurf des Antisemitismus für eine „absurde Unterstellung“ und „billiges Framing“, schrieb sie auf Twitter.
Sowohl die Publikation „Corona Fehlalarm?“ als auch ein Interview Bhakdis lösten bereits im vergangenen Jahr an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel mehrere Stellungnahmen aus, unter anderem seitens der Medizinischen Fakultät, des Senats und der Fachschaft Biochemie. Alle Stellungnahmen kritisieren, dass die Behauptungen Bhakdis und Reiß’ im Gegensatz zu seriösen internationalen wissenschaftlichen Erkenntnissen stehen.
Man dürfe in der Wissenschaft offen Fragen stellen, aber „irreführende Annahmen“ dürften daraus nicht abgeleitet werden, schrieb der Dekan der Medizinischen Fakultät, Professor Joachim Thiery im August 2020. Ende des Jahres wurde der Vertrag mit Sucharit Bhakdi beendet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Mögliche Neuwahlen in Deutschland
Nur Trump kann noch helfen
Nahost-Konflikt vor US-Wahl
„Netanjahu wartet ab“
VW in der Krise
Schlicht nicht wettbewerbsfähig
Anschläge auf „Programm-Schänke“
Unter Druck
Orbán und Schröder in Wien
Gäste zum Gruseln
Grundsatzpapier des FInanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik