corona in hamburg: „Überschattet von Existenzangst“
Lara Maju
30, tätowiert seit 2013 und führt seit 2016 ihr eigenes Studio. Auf Instagram hat die Handpoke-Tätowiererin fast 150.000 Follower. Handpoke bedeutet, dass sie nicht mit der Maschine, sondern per Hand Motive sticht.
Interview Lisa Bullerdiek
taz: Frau Maju, wie haben Sie die Lockdowns finanziell überlebt?
Lara Maju: Ich hatte Rücklagen, weil ich vorhatte, eine Familie zu gründen. Die Rücklagen muss ich jetzt erst mal wieder aufbauen. Das war aber auch mein Glück. Dann gab es die Novemberhilfe, Dezemberhilfe. Ab Januar war jede*r auf sich gestellt. Nur die Fixkosten fürs Studio wurden übernommen, aber das hat privat auch nichts gebracht.
Was haben Sie im Lockdown gemacht, während Sie nicht tätowieren konnten?
Erstmals hat man natürlich Panik bekommen, weil es was ganz Neues war. Ich habe dann angefangen, Masken zu nähen, weil ich einen Modebackground habe. Mit dem zweiten ist dann bei mir erst mal wieder alles zusammengebrochen. Es war auch entlastend, eine Zwangspause zu bekommen, aber das war immer überschattet von der dunklen Wolke der Existenzangst. Mein Job besteht eigentlich darin, Leuten jeden Tag eine Freude zu machen. Das habe ich sehr vermisst.
Wie ging es anderen Studios?
Ich arbeite viel mit internationalen Studios zusammen. Denen ging’s natürlich zum Beispiel in den USA sehr schlecht, weil es dort überhaupt keine Hilfe gab. Ich glaube, die Studios haben überlebt, aber vielleicht die Künstler*innen nicht. Es ging uns ähnlich wie den Kulturschaffenden, die auch gar nicht arbeiten durften.
Hatten Sie das Gefühl, dass Tätowierer*innen übersehen wurden?
Wir wurden in eine Richtung gedrückt, die wir nicht sind – zu den Friseur- und Kosmetikstudios. Niemand hat sich mit uns mal hingesetzt. Alle Tätowierer*innen, die ich auch in Hamburg kenne, haben hohe Hygienestandards. Und wir haben in unserem Studio höchstens zwei Kund*innen am Tag. Als die Friseure wieder aufgemacht haben, habe ich mich echt geärgert. Auch wenn ich mich für die natürlich gefreut habe.
Wie sind die Leute jetzt drauf, wenn sie in das Studio kommen? Anders als vor Corona?
Das würde ich nicht sagen. Die Stimmung ist gut, aber das war sie auch schon immer. Für die Leute ist es was Besonderes, wieder rauszukommen. Ich bekomme auch oft nach dem Termin eine Mail, wie schön das war. Das kam früher nicht so oft vor. Sich mal wieder um seinen Körper zu kümmern, sich schön zu fühlen – das haben die Leute vermisst.
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