Asylrecht in Großbritannien: System der zwei Klassen

Großbritannien will mit einem neuen Gesetz sein Asylverfahren verschärfen. Wer illegal einreist, soll weniger Rechte erhalten.

Migranten mit oangen Rettungswesten und Mundschutz auf einem Rettugsboot

Menschen aus Syrien, die den Ärmelkanal mit dem Boot überquert haben, im Hafen von Dover Foto: Andy Rain/epa

LONDON taz | Die bereits im März angekündigte Absicht der britischen Regierung, ihr Asylsystem zu verschärfen, ist am Dienstag durch einen Gesetzesentwurf der Innenministerin Priti Patel konkreter geworden. Demnach würde es erstmals unterschiedliche Asylverfahren geben – je nachdem ob die An­trag­­stel­le­r*in­nen nach britischem Recht legal oder illegal in das Vereinigte Königreich eingereist sind. Wer illegal eingereist ist und Asylrecht erhält, wird weniger Rechte erhalten, als jene, die auf legalen Weg einreisten.

In den ersten sechs Monaten des Jahres legten in England über 6.000 Bootsflüchtlinge an. Es wird damit gerechnet, dass bis zum Ende des Jahres die Zahl der Menschen, die den Ärmelkanal überqueren, die Gesamtzahl des letzten Jahres übertreffen wird, als an die 8.400 Menschen den Kanal überquerten.

Der Gesetzesentwurf sieht etwa für Schleuseraktivitäten eine Haftstrafe bis zu „lebenslänglich“ vor. In Zukunft soll es zudem erlaubt sein, Asyl­be­wer­be­r*in­nen anstatt in Wohnungen, in speziellen Zentren unterzubringen. Bisher war das die Ausnahme, etwa als im vergangenen Jahr Menschen in ehemaligen Militärbaracken hausen mussten. Aufgrund der mangelhaften Hygiene während der grassierenden Covid-19-Pandemie, legten Be­woh­ne­r*in­nen aus Protest und Verzweiflung in Teilen der Baracken Feuer.

Auch das Asylverfahren soll effizienter geführt werden. Sämtliche Anträge sollen in Zukunft bei einer einzigen Stelle gestellt werden. Sollte es nach Entscheidungen zu Berufungen kommen, sollen verspätete Anträge Konsequenzen nach sich tragen. Sollten Berufungen ohne guten Grund eingelegt werden, um so womöglich Zeit aufzuschieben, sollen Asyl­be­wer­be­r*in­nen sogar mit Bußstrafen zur Rechenschaft gezogen werden.

Ziel: Möglichst schnelle Abschiebungen

Durch Änderungen in der rechtlichen Auslegung, ab wann eine Person als legal eingereist gilt, soll es Menschen erschwert werden, überhaupt Asylanträge zu stellen. Dies betrifft direkt jene Menschen, die etwa auf Schlauchbooten versuchen einzureisen. Ihre Fälle sollen dann als „ungültig“ gelten.

In den Medien kursieren hierzu Annahmen, dass Großbritannien in Zukunft Boote noch auf offener See zurück nach Frankreich schicken könnte. Laut einer Sprecherin des Innenministeriums gebe es hierzu in der Tat Absichten, sie seien jedoch weder klar definiert noch konkreter Teil des Gesetzentwurfs. Aus dem Entwurf geht aber hervor, dass die britische Regierung an möglichst schnellen Abschiebungen arbeitet.

Ebenfalls sei es derzeit unklar, ob es Unterbringungs- und Bearbeitungszentren für Asyl­be­wer­be­r*in­nen außerhalb des Vereinigten Königreichs geben wird. In den britischen Medien zirkulieren unbestätigte Annahmen von möglichen Zentren in Ruanda oder auf den Ascension Islands, einer 91 Quadratkilometer großen pazifischen Insel, die britisches Hoheitsgebiet ist. Das Innenministerium erklärte der taz, dass die Regierung Gespräche mit internationalen Partnern hierzu führe.

Wer aus EU-Staaten und sicheren Drittstaaten einreise, um im Vereinigten Königreich Asyl zu beantragen, würde laut dem Entwurf automatisch abgelehnt werden. Ausnahmefälle werden jedoch anerkannt. Außerdem sollen Asylsuchende, die angeben, minderjährig zu sein, neuen Verfahren zur Altersbestimmung unterworfen werden.

Die Organisation Refugee Councils erklärte, dass das neue Gesetz Menschen, die Schutz suchten, kriminalisiere und bestrafe und auch legale Einreisemöglichkeiten über Drittstaaten erschweren würde. Der Entwurf wird in den nächsten Monaten durch das britische Parlament gehen, wo es zu zahlreichen Abänderungen kommen kann.

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