Wechsel vom ÖR zum Privatfernsehen: Störungen beim Vereinigungserlebnis
Viele Journalist:innen wechseln von den öffentlich-rechtlichen Sendern ins Privatfernsehen. Das ist nichts Neues: Auch Joko und Klaas waren beim ZDF.
S o, jetzt beruhigen sich alle mal wieder. Nein, die ARD blutet nicht aus. Ja, es sind in letzter Zeit ein paar prominente Köpfe aus Info, Sport- und Nachrichten Richtung Privatfernsehen abgewandert. In chronologischer Reihenfolge waren das bislang Jan Hofer (zu RTL), Matthias Opdenhövel, Linda Zervakis (beide zu ProSiebenSat.1) und Pinar Atalay (zu RTL).
Die Liste ließe sich übrigens fortsetzen. Thilo Mischke, der heute bei ProSieben Dokus über Deutschland ganz rechtsaußen zur Primetime macht, kommt schließlich von funk. Und waren Joko und Klaas nicht ganz ursprünglich mal beim ZDF? Neu ist die Entwicklung allerdings überhaupt nicht. Für weitere Fragen wenden Sie sich bitte an unseren Herrn Hallaschka. Der nahm schon vor zehn Jahren bei der ARD seinen Hut und zog aus dem „Kanzlerbungalow“ und der „NDR Talk-Show“ zu RTL.
Allen gemeinsam dürfte sein, dass ihnen im öffentlich-rechtlichen die Entwicklungs- und Aufstiegsmöglichkeiten gefehlt haben. Jedenfalls solche, mit denen sie fein gewesen wären. „Was soll denn da noch kommen?“, meint die Mitbewohnerin: „Die schwimmen doch schon ganz oben und haben Spitzengehälter.“ Dass die Privatsender noch mehr auf den Tisch legen, versteht sich von selbst.
Für Personalentwicklung sind im verkrusteten öffentlich-rechtlichen System zwar haufenweise Abteilungen und Leitungsstellen verantwortlich. Sie sind auf dem Papier auch schwer beschäftigt. Was wirklich stattfindet, ist aber zu wenig, bleibt zu selektiv und ist oft das Gegenteil von innovativ.
Das gilt längst nicht erst auf der Flughöhe der aktuellen ARD-Auswandernden. Dass alle erst mal bei der Konkurrenz anklopfen müssen, damit der eigenen Laden merkt, was er an ihnen hat, gehört dabei in allen Branchen zu den Erlebnisstörungen. Das Vereinigungserlebnis des von RTL heimgekehrten Günther Jauch mit der ARD ging allerdings schief. Den Oberjournalisten wollten ihm alle nicht so recht abnehmen.
Funk ist andererseits Beleg dafür, dass es auch innovativ und offen laufen kann. Etablierte Läden ändern sich eben erst, wenn es wehtut. Daher hat die Abwanderung auch ihr Gutes. Die Privaten müssen plötzlich Relevanz beweisen. Denn Filme und Serien abnudeln können die Streamingdienste einfach besser. Trash haut auch nicht mehr so hin, weshalb die Pochers (Sat.1) und Bohlens (RTL) gehen müssen.
Bei der ARD werden plötzlich Stellen frei. Und, viel wichtiger, vorsichtiges Umdenken setzt ein. Beim ZDF hat diese Woche übrigens auch Claus Kleber seinen Abschied als Moderator des „heute-journals“ angekündigt. Aber der wandert nicht zu den Privaten, sondern geht in Rente.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei