Autonome Busse im Test: Kastenbrote auf Reifen

Seit 2020 testet Monheim am Rhein autonom fahrende Busse. Noch ist ein „Operator“ mit an Bord, der im Notfall eingreifen kann.

Fahrgäste drängeln sich vor Minibus

Weniger Fahrgäste wegen der Pandemie: Selbstfahrender Minibus in Monheim Foto: Jochen Tack/imago

MONHEIM taz | Die Zukunft sieht knuffig aus. Nur 4,05 Meter lang sind die autonom fahrenden Kleinbusse, die seit Ende Februar 2020 durch Monheim am Rhein rollen. Mit ihren kleinen Rädchen wirken die fünf mit Ökostrom laufenden Fahrzeuge des französischen Herstellers EasyMile ein wenig wie Kastenbrote auf Reifen. Auf einer vordefinierten Strecke in und um die Altstadt fahren die Busse im 15-Minuten-Takt – und im Regelbetrieb lenken, beschleunigen, bremsen sie dabei automatisch.

„Die Fahrzeuge bewegen sich auf einer virtuellen Schiene“, erklärt Detlef Hövermann, Geschäftsführer der Bahnen der Stadt Monheim – also der Verkehrsbetriebe. Damit Computer die Busse lenken können, ist die knapp drei Kilometer lange Fahrstrecke aufwendig vermessen worden, Änderungen der Linienführung sind spontan nicht möglich. In Ausnahmesituationen, in denen der Rechner nicht mehr weiterweiß, hält der Bus am Straßenrand.

Das Logo zeigt ein Fahrrad

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Weiter mit an Bord ist deshalb ein „Operator“ genannter Fahrer. Mit einer Fernbedienung um den Hals steht der immer mit im Bus, kann über einen Joystick eingreifen – und soll so auch das Sicherheitsgefühl der maximal 11 Fahrgäste erhöhen. Ebenfalls aus Sicherheitsgründen liegt die Höchstgeschwindigkeit bei 20 Stundenkilometern.

Ob das Zusatzangebot, das in erster Linie Fußwege in der Innenstadt ersetzt, mehr Menschen dazu gebracht hat, das Auto stehen zu lassen? Coronabedingt dürfen in den Kleinbussen nur noch 3 Passagiere mitfahren. Deutschlandweit seien die Fahrgastzahlen im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) durch die Pandemie um 30 Prozent eingebrochen, sagt Geschäftsführer Hövermann. Allerdings: In Monheim waren es laut Haushaltsbefragungen nur 25 Prozent weniger.

ÖPNV ist kostenlos

Grund dafür dürfte das Mobilitätskonzept sein, das Bürgermeister Daniel Zimmermann aufgelegt hat. Im gesamten Stadtgebiet ist der ÖPNV seit April 2020 kostenlos – zunächst einmal testweise für drei Jahre. Dazu ist ein Leihrad-System im Aufbau: 450 Bikes hat Zimmermann bereits anschaffen lassen. 30 Minuten Nutzung sollen 1 Euro kosten – im Angebot sind auch E-Bikes und Elektro-Lastenräder. Dazu kommen Elektroautos vom Typ Renault Zoe, die für 2,90 Euro pro Stunde zu mieten sind – Verbrauchsstrom eingeschlossen.

„Aktuell werden in Monheim etwa 55 Prozent aller Wege mit dem Auto zurückgelegt“, erklärt Zimmermann. 20 Prozent der Verkehrsteilnehmer sind Fußgänger, 15 Prozent Radfahrer. Nur 10 Prozent nutzen den ÖPNV. Als kostenlose Fahrkarte dient der „Monheim-Pass“, der auch als Bibliotheksausweis dient. „Künftig werden damit rund 30 Dienstleistungen nutzbar sein“, schwärmt der Bürgermeister, „von der Musikschule bis zum Schwimmbad“.

Etwa 3,5 Millionen Euro lasse sich Monheim die ÖPNV-Förderung pro Jahr kosten, sagt Zimmermann. Diese und andere Wohltaten wie neue Kitas, kostenloses WLAN und flächendeckendes Glasfasernetz ermöglichen ausgerechnet Steuersenkungen: Der Bürgermeister hat den Gewerbesteuer-Hebesatz drastisch nach unten gedrückt – und damit Hunderte Firmen nach Monheim gelockt.

So teuer wie ein Gelenkbus

Was schon länger als „Steuerdumping“ kritisiert wird, finanziert die Anschaffung von Kleinfahrzeugen, die mit 300.000 Euro ähnlich viel kosten wie ein großer Gelenkbus. „Uns geht es erst einmal darum, die Technik auszuprobieren“, sagt Zimmermann. „Vielleicht gibt es den klassischen Beruf des Busfahrers irgendwann nicht mehr.“

Doch das dürfte dauern: „Erst um das Jahr 2040 wird kein Personal mehr im Fahrzeug nötig sein“, schätzt Luise Fitzthum, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Verkehrs­leitsysteme und -prozessautomatisierung der TU Dresden.

Denn gerade in Innenstädten sei der Verkehr mit Kreuzungen, Fußgängern, Radfahrern hochkomplex, erklärt die In­genieurin, die im Leipziger Norden selbst ein Pilotprojekt zum autonomen Fahren betreut. Und auch danach müssten die Fahrzeuge von einer Leitstelle aus überwacht werden, glaubt Fitzthum.

Angesichts der Vision des vollkommen autonomen Fahrens fragt sie: „Wollen wir das überhaupt?“ Das könne sogar zu noch mehr Verkehr führen: „Wenn sich jeder für jede Einzelstrecke jederzeit ein eigenes autonom fahrendes Auto kommen lassen kann, dient das nicht der Entlastung der Städte – und dem Klimaschutz erst recht nicht.“

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