Austritt aus Istanbul-Konvention: „Wir geben nicht auf“
In Istanbul demonstrieren Tausende für den Verbleib der Türkei in der Istanbul-Konvention zum Schutz von Frauen – und auch für Minderheitenrechte.
Die Demonstration fand im asiatischen Stadtteil Maltepe statt, in einem großen Park, der auf einem ins Meer aufgeschütteten Gelände liegt und häufig für Demonstrationen der Opposition genutzt wird.
Insgesamt 131 Institutionen, Vereine, LGBTI-Verbände, Gewerkschaften, und Parteien hatten zu der Kundgebung aufgerufen. Obwohl niemand ernsthaft damit rechnet, dass Erdogan seine Entscheidung noch einmal revidiert, wollen die TeilnehmerInnen nicht aufgeben.
„Bis zum 1.Juli, wenn der Austritt aus der Konvention in Kraft treten soll, machen wir weiter“, sagte eine Vertreterin der Plattform „Wir werden Femizide stoppen“. „Selbstverständlich werden wir auch danach den Kampf gegen Gewalt gegen Frauen fortsetzen“.
Auch die LGBTI-Community demonstriert mit
Nach der Zählung der Gruppe sind im letzten Jahr über 300 Frauen von ihren Partnern, Ex-Partnern oder männlichen Familienangehörigen ermordet worden. Einige Morde sind als Selbstmorde getarnt, deshalb ist die Zahl immer etwas strittig. Einige Frauen werden auch von Männern umgebracht, die nicht zu ihrem Umfeld gehören, auch dann bestreitet die Polizei häufig, dass es sich um einen Femizid handelt. Allein im Jahr 2021 sollen bereits wieder 177 Frauen ermordet worden sein.
Ebenfalls von zunehmender Gewalt betroffen sind alle Mitglieder der LGBTI-Community. Viele von ihnen waren am Samstag ebenfalls bei der Kundgebung in Maltepe, vereinzelt versuchte die Polizei sogar ihre Fahnen zu beschlagnahmen.
Während die Regierung von Präsident Erdogan Gewalt gegen Schwule, Lesben und Transsexuelle propagandistisch legitimiert und jede nicht heterosexuelle Lebensweise als „unislamisch“ verunglimpft, verurteilt sie zwar verbal Gewalt gegen Frauen, tut aber nur wenig dagegen.
Frauenbild der AKP legitimiert Gewalt gegen Unangepasste
Tatsächlich, sagen KritikerInnen, trägt das von der AKP propagierte Frauenbild dazu bei, Gewalt gegen Frauen, die sich nicht an das islamische Frauenbild halten, zu legitimieren. „Die Frauen sind selbst schuld“ heißt es dann hinter vorgehaltener Hand.
Mit dem Beitritt zur Istanbul-Konvention, die so heißt, weil sie 2011 in der türkischen Metropole auf einer Konferenz des Europarates verabschiedet wurde, wollte Erdogan eigentlich diesem Eindruck entgegentreten.
Im letzten Jahr gab er dann der Kritik von Islamisten und Konservativen nach, die immer wieder moniert hatten, die internationale Vereinbarung zum Schutz von Frauen und Minderheiten führe dazu, dass der häusliche Friede durch aufsässige Frauen gefährdet würde. Das Patriarchat darf in Erdogans Partei nicht infrage gestellt werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen