Presseboykott von Tennisstar Naomi Osaka: Kämpferin für mentale Gesundheit
Bei den French Open erscheint Tennisstar Naomi Osaka nicht zum Pressetermin und wird bestraft. Sie stellt sich gegen ein System.
Naomi Osaka ist bereit, für ihr Schweigen einen hohen Preis zu zahlen. Das hatte die japanische Tennisspielerin bereits vor Beginn der laufenden French Open angekündigt. Denn aus ihrer Sicht steht etwas viel Wertvolleres auf dem Spiel: ihre psychische Gesundheit sowie die ihrer Kolleg:innen. 15.000 Dollar hat sie der Boykott der Pressekonferenz nach ihrem Erstrundensieg gegen die Rumänin Tatricia Maria Tig am Sonntag bereits gekostet. Die Veranstalter:innen des großen Grand-Slam-Turniers in Paris haben die Weltranglistenzweite gewarnt, dass ein erneutes Fernbleiben von der Presserunde am Mittwoch nach der Partie gegen die Rumänin Ana Bogdan sie noch teurer zu stehen kommen würde, ihr in letzter Konsequenz gar der Ausschluss drohe.
Wütende und enttäuschte Tennisstars haben hin und wieder mal nach Niederlagen lieber ein paar tausend Dollar bezahlt, als sich dem Verhör von Journalist:innen auszusetzen. Osaka aber handelt nicht spontan aus der Emotion heraus, sie probt einen Aufstand gegen das System. Zu häufig habe sie immer wieder dieselben Fragen beantworten müssen, zu oft fehle es an Rücksicht auf die psychische Verfassung der Athlet:innen. Die bohrende Nachfragerei fördere bei den Betroffenen eine Spirale der Selbstzweifel.
Auf den ersten Blick mag es erstaunlich sein, dass die derzeit bestverdienende Sportlerin der Welt, der die Erfolge, Bewunderung und Sponsorings nur so zuzufliegen scheinen, sich gegen Akteur:innen eines System wendet, von dem sie so profitiert hat. Aber Naomi Osaka, Tochter eines Haitianers und einer Japanerin, in New York aufgewachsen, ist es auf bemerkenswerte Weise gelungen, sich von den Erwartungen ihrer Umwelt unabhängig zu machen. Sie ist in den japanischen Werbekampagnen das Gesicht der Olympischen Spiele im Sommer und mit drei Sponsoren der Veranstaltung verbandelt. Dennoch warb sie zuletzt dafür, über eine Absage der Spiele zu diskutieren.
Sich nicht vereinnahmen lassen
Und als die sich zur Black-Lives-Matter-Bewegung bekennende Osaka im August vergangenen Jahres einen Turnierboykott ankündigte, als der Schwarze Jacob Blake bei einem Polizeieinsatz in den USA niedergeschossen wurde, erwirkte sie damit eine Turnierunterbrechung. Sie wolle in einem mehrheitlich weißen Sport eine Diskussion in Gang bringen, erklärte sie. Zum Unwillen einiger, die zu Beginn der Karriere von Osaka sich noch an ihrer Bescheidenheit und ihrem Lächeln erfreuten, legt diese nun ihre Rolle als prominente Sportlerin zunehmend emanzipatorisch aus. Das Time Magazin hat sie auf seine Liste der 100 einflussreichsten Personen der Welt im Jahr 2020 gesetzt.
Naomi Osaka will sich nicht vereinnahmen lassen. Sie sagte einmal: „Du kannst versuchen, mich in eine Schublade zu stecken, aber du wirst nicht bestimmen, wer ich bin. Ich bestimme durch Taten, wer ich bin.“ Nun ist ihr das Thema psychische Gesundheit wichtig. Öffentliche Unterstützung erfährt sie dabei von ihren Kolleg:innen derzeit nicht, weil diese die Presse als Bestandteil des Geschäfts tolerieren. Osaka wird das kaum beirren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos
Merz stellt Reform in Aussicht
Zarte Bewegung bei der Schuldenbremse
Abschiebung von Pflegekräften
Grenzenlose Dummheit
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Schuldenbremsen-Dogma bröckelt
Auch Merz braucht Geld
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“