Gericht zwingt Shell zu mehr Klimaschutz

Umweltschüt­ze­r:in­nen waren mit ihrer Klage gegen den Ölriesen erfolgreich. Erstmals hat damit ein Gericht einem Konzern ein Klimaziel verordnet

So viel Spaß kann Klagen machen: Donald Pols, Chef der klagenden NGO, hält das Gerichtsurteil in den Händen Foto: Piroschka van de Wouw/reuters

Von Susanne Schwarz

Es ist eine juristische Sensation: Das Bezirksgericht Den Haag hat den niederländischen Ölkonzern Royal Dutch Shell am Mittwochnachmittag zu mehr Klimaschutz verpflichtet. Er muss seine Treibhausgasemissionen bis 2030 im Vergleich zu 2019 um mindestens 45 Prozent senken. Die Pflicht zum Klimaschutz gelte für die eigenen Unternehmen, aber auch für Zulieferer und Endabnehmer. Es ist das erste Mal, dass Rich­te­r:in­nen ein Unternehmen auf diese Art zur Verantwortung ziehen.

Geklagt hatte die Umweltorganisation Milieudefensie gemeinsam mit weiteren Gruppen – und mehr als 17.000 Einzelunterstützer:innen. Schon die Klage war außergewöhnlich, da sie eben direkt darauf abzielte, Shell zu einer anderen Investitionsplanung zu verpflichten. Bei anderen Klimaklagen gegen Unternehmen geht es oft darum, sie zu Entschädigungszahlungen zu zwingen, weil ihr Geschäftsmodell die Klimakrise befeuert und damit zu Schäden und Verlusten wie etwa von Geld oder Lebensraum führt.

Die Um­welt­schüt­ze­r:in­nen argumentierten, dass Shell gegen das Verursacherprinzip verstoße, das im Artikel 6:162 im niederländischen Zivilgesetzbuch festgeschrieben ist. Außerdem sehen die Klä­ge­r:in­nen Artikel 2 und 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention verletzt, das sind die Rechte auf Leben und auf Achtung des Privat- und Familienlebens.

„Dieses Urteil wird die Welt verändern“, sagte Roger Cox, der Anwalt von Milieudefensie. „Menschen auf der ganzen Welt stehen an den Startlöchern, um Ölfirmen in ihrem eigenen Land nach unserem Beispiel zu verklagen.“ Außerdem würden Ölfirmen von nun an weniger bereit sein, neue fossile Investitionen zu tätigen.

Auch bei Milieudefensie selbst wird natürlich gejubelt. „Das ist wirklich eine großartige Neuigkeit und ein massiver Sieg für die Erde, unsere Kinder und für uns alle“, sagte Milieudefensie-Chef Donald Pols.

„Ein massiver Sieg für die Erde, unsere Kinder und für uns alle“

Donald Pols, Umweltschützer

Nur wenige Konzerne weltweit haben einen noch größeren CO2-Fußabdruck als Shell. Die US-amerikanische Denkfabrik Climate Accountability Institute hatte im Jahr 2019 die Treibhausgasemissionen von Unternehmen seit 1965 analysiert und ein globales Ranking erstellt. Shell landete dabei auf Platz 7. Zwar hatte sich Shell bereits vorgenommen, bis 2050 klimaneutral zu werden, bis zum Ende dieses Jahrzehnts hat der Konzern aber nur eine Emissionsreduktion von 20 Prozent gegenüber 2016 geplant. Ein Großteil der nötigen Umstellung sollte also später in sehr kurzer Zeit erfolgen. Das Gericht in Den Haag befand die bisherigen Pläne für „nicht sehr konkret“.

Erst vergangene Woche musste sich Shell schon einmal von Kli­ma­schüt­ze­r:in­nen die Meinung sagen lassen: Auf der Hauptversammlung des Ölriesen brachten „grüne Aktionär:innen“ der Gruppe Follow this eine Resolution ein, die eine verbindliche Orientierung am Pariser Weltklimaabkommen verlangte.

Die Niederlande waren schon einmal Schauplatz und Protagonistin einer spektakulären Klimaklage. 2015 gab ein Gericht der Stiftung Urgenda recht. Die Niederlande müssten ihre Treibhausgasemissionen bis 2020 um mindestens 25 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 verringern – nicht nur wie bis dato geplant um 17 Prozent. Die niederländische Regierung ging in Revision. Im vergangenen Dezember bestätigte das oberste Gericht des Landes aber das ursprüngliche Urteil.