Solidarität mit Pflegekräften: Kritik am Klatschen reicht nicht

Um Pfle­ge­r:in­nen zu unterstützen, müssen Löhne erhöht und Arbeitsbedingungen verbessert werden. Aber auch wir können etwas tun.

Menschen demonstrieren mit Transparenten

Demonstration zum Tag der Pflege am 12. Mai in Berlin Foto: Stefan Boness/Ipon

Erst war da das Klatschen. Und dann schnell der Konsens, dass klatschen allein ziemlich armselig ist. Seitdem kommt immer die gleiche Aussage: „Klatschen reicht nicht“. Das meinte schon im September Volker Hoppmann von Verdi. Olaf Scholz twitterte Ende März: „Danke an alle Pflegerinnen und Pfleger! Ohne sie geht nichts. Antwort auf diese Erkenntnis ist nicht, Beifall zu klatschen.“ Und Annalena Baerbock sagte am ersten Mai: „Es reicht nicht, wenn man Pflegekräften zuklatscht.“

So weit, so gut, denn natürlich hilft klatschen nicht. Applaus bezahlt keine Miete. Applaus verhindert keine Überstunden. Applaus schützt nicht vor einem Burnout. Das Klatschen war nur gut, weil es die Klatschen-reicht-nicht-Sätze möglich gemacht hat. Aber auch „Klatschen reicht nicht“ sagen reicht nicht. Und viel mehr ist bisher nicht passiert.

Coronaboni für Pflegende wurden diskutiert, einige haben ihn auch bekommen. Doch niemand hat die Löhne von Pfle­ge­r:in­nen deutschlandweit und auf Dauer erhöht. Niemand hat ihre Arbeitsbedingungen wesentlich verbessert. Dabei sind die Probleme viel älter als die Pandemie.

Vergangene Woche haben Pfleger:innen, Gewerkschaften und Verbände am Tag der Pflege mehr Gehalt gefordert. Es gab Kundgebungen, an denen sich Menschen beteiligen konnten. In Dresden gingen laut dem MDR mehrere Dutzend auf die Straße. Es ist immer noch Corona, aber mehrere Dutzend sind wirklich nicht viel. Und auch in sozialen Medien sah es nicht so aus, als interessieren sich besonders viele für den Tag der Pflege.

Nicht nur Po­li­ti­ke­r:in­nen müssen agieren

Es gibt feministische Kämpfe, die mehr Aufmerksamkeit bekommen als andere. Weil sich manche Missstände auf viel mehr Menschen auswirken als nur auf Pfle­ge­r:in­nen (Werbeverbot für Abtreibungen). Oder weil sie attraktiver erscheinen (mehr Frauen in Führungspositionen!).

Natürlich, unser aller Ressourcen sind begrenzt. Aber wer eine gerechtere Gesellschaft fordert, besonders für Frauen, kann auch für Pfle­ge­r:in­nen mehr tun als nur zu sagen: „Klatschen reicht nicht.“ Menschen in politischen Positionen sowieso, aber auch wir anderen. Effektiver wäre es, zumindest auf Kundgebungen zu klatschen. Oder seine Wahlentscheidung daran zu knüpfen. Gerade weil Pfle­ge­r:in­nen ohne deutschen Pass keine Wahlstimme haben.

Und eigentlich ist die Pflege erst der Anfang. Haben Sie sich schon einmal gefragt, wie die Arbeitsbedingungen für Menschen in der Abfallwirtschaft sind? Oder für die, die putzen? Diese Tätigkeiten berühren viele Herzen noch weniger als eine so lebenserhaltende und liebevolle wie die Pflege. Wenn Gutverdienende andere ihr Zuhause reinigen lassen, bezahlt man ihnen weniger, als man selbst in den zwei, drei Stunden verdient. Warum eigentlich? Fair ist auch das nicht. Bevor jetzt jemand anfangen will, für Putzende zu klatschen: Einfach mal den Lohn erhöhen.

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Susan Djahangard arbeitet von Hamburg aus als freie Journalistin. Für die taz schreibt sie vor allem die Kolumne "Sie zahlt" über Feminismus, Geld und Wirtschaft.

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