Einfluss von Rapmusik: Wie in einer Germanistikvorlesung

Der Rapper Haftbefehl hat eine ganze Generation geprägt. Doch als revolutionär galt er erst, als ihn das Feuilleton entdeckte.

Ein Mann steht in einem Aufzug und trägt Sonnenbrille und einen opulenten Pelzmantel

Nicht einmal ein Jahr nach Veröffentlichung von „das weiße Album“ erschien nun „das schwarze Album“ Foto: Ondro/Universal Urban/dpa

Haftbefehl hat sein neues Album rausgebracht, und die Promo stimmt: Amazon Music hat vergangene Woche eine Kurzdokumentation veröffentlicht. In „Du weißt, dass es Haft ist“ wird Haftbefehl bei den Albumaufnahmen gezeigt, aber auch privat im Auto mit seiner Familie und in seinem Wahl-Exil in Istanbul.

Daneben kommen Persönlichkeiten wie Xatar, Farid Bang, Jan Böhmermann oder der Feuilleton-Journalist Moritz von Uslar, der Haftbefehl salonfähig gemacht hat, zu Wort: „Als jemand, der mit Sprache zu tun hat, ist das Stakkato der verbotenen Begriffe bei Haftbefehl ein Hochgenuss. Er kann in seinen Texten und auch im Gespräch unheimlich viel erzählen, was dieses Land ist und was auf dieses Land gesellschaftlich zukommt. Verkürzend gesagt: Wenn man Deutschland im Jahr 2021 verstehen will, setz dich an einen Tisch mit Haftbefehl“, sagt von Uslar in der Doku. Also im Prinzip das, was junge Menschen mit Migrationsgeschichte über ein Jahrzehnt über Haftbefehl sagen, nur ohne Begriffe wie Stakkato und Hochgenuss.

Die Doku wird dem Einfluss, den Haftbefehl auf eine ganze Generation hat, nicht gerecht. Ich hätte statt Böhmermann lieber Jugendliche über Haftbefehl sinnieren gehört.

Etwas besser gelingt das dem Hessischen Rundfunk, der nur Tage zuvor mit „Haftbefehl – Ein Tag mit dem Rap-Superstar“ in 20 Minuten ein vielschichtigeres Bild zeichnet: Keiner kann mit Hafti mithalten. Der Redakteur, die Kamera, das Mikrofon rutschen immer wieder ins Bild, denn mit Haftbefehl kann man keine typischen Antext-Fernsehbilder drehen, er wirkt die ganze Zeit über so, als könnte er die Aufnahmen gleich abbrechen, weil er keine Lust mehr hat, ohne dabei auch nur eine Sekunde unsympathisch rüberzukommen.

Wie mit Kollegen reden

Die vielsagendste Szene ist für mich die, als Haftbefehl aus dem Auto heraus zwei Jungs, die ein Foto mit ihm wollen, Geld zusteckt und sich ärgert, dass sie am Bahnhof rumhängen. Sonst kommen keine jungen Menschen zu Wort. Und dabei sind sie es, auf die Haftbefehl den größten Einfluss hat.

Wenn meine ehemaligen Schüler Haftbefehl gehört haben, hielt man sie für Sexisten und Antisemiten. Wenn ein Kulturjournalist Haftbefehl hört, ist er revolutionär, indem er Haftbefehls Sprache analysiert, als wären wir in einer Germanistikvorlesung. Es brauchte also Intellektuelle ohne Migrationsgeschichte, damit Haftbefehls Musik und alle, die sie hören, nicht verteufelt werden.

Die beste Antwort darauf hat Haftbefehl selber: „Da freue ich mich über einen Koffer voller Geld viel mehr als über irgendwelche Leute, die über Kultur sprechen. Aber es ist schon krass, was ich bewegt habe mit der Sprache, dass ich da ein bisschen was verändert habe. Aber so sehr juckt mich das nicht. Ich rede in meinen Songs ja so, wie ich mit meinen Kollegen auf der Straße rede. Ich versuche keine neuen Wörter zu erfinden – es ist halt Slangtalk.“

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Autorin "Generation haram", Journalistin, ehemalige Lehrerin, lebt in Wien

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