Gesetzentwurf in Frankreich: Senat will ans Kopftuch ran

Die Se­na­to­r:in­nen haben für Verschärfungen am Gesetz zur „Stärkung der republikanischen Prinzipien“ gestimmt. Das würde Mus­li­m:in­nen treffen.

Ein Bauarbeiter mit orangem Schutzhelm schaut aus einem Rohbau für eine Moschee hinaus

Kultstätten wie Moscheen, hier in Straßburg, sind von den Änderungsanträgen ebenfalls betroffen Foto: Christian Hartmann/reuters

PARIS taz | Bruno Retailleau, der Fraktionschef von Les Républicains (LR), hatte es versprochen: Die konservative Mehrheit in Frankreichs Senat werde alles tun, um die von den Abgeordneten bereits verabschiedete Regierungsvorlage zur Stärkung der Laizität aufzurüsten, um so den Kampf gegen den „Islamismus“ oder „separatistischen“ Tendenzen eines „politischen Islam“ zu führen.

Senatorin Marie-Pierre de La Gontrie

„Rechte Mehrheit hat Gesetzestext in ein Wahlkampfflugblatt verwandelt“

Das Ergebnis übertrifft die Befürchtungen: Vor der Schlussabstimmung waren diverse Ergänzungsanträge verabschiedet worden, die religiöse Praktiken in den Hochschulen oder sichtbare Zeichen religiöser Zugehörigkeit wie Kopftücher in zusätzlichen Bereichen der Öffentlichkeit wie Sportanlässen sowie die Gründung von religiösen Privatschulen oder die Finanzierung von Kultstätten mit Bewilligungspflicht erschweren oder verbieten sollen. Auch religiös markierte Kandidaturen bei Wahlen sollen untersagt werden.

Vor dem Hintergrund von Terroranschlägen setzt die Regierung des Präsidenten Emmanuel Macron im Kampf gegen Islamismus auf das Gesetz zur „Stärkung der republikanischen Prinzipien“. Inhaltlich befasst es sich etwa mit Hass im Netz. Premierminister Jean Castex versichert unermüdlich, das Vorhaben richte sich nicht gegen Religion. Viele befürchten dennoch eine diskriminierende Anwendung.

Mit insgesamt 139 Änderungsanträgen ist im Senat diese Gesetzesvorlage abgeändert worden. Die Debatte hatte dabei oft die Form eines Wettstreits mit sich überbietenden Vorschlägen hinsichtlich islamischer Kleidervorschriften und Praktiken. So soll laut Senat das Beten in Korridoren der Universitäten untersagt werden, obschon die Konferenz der Hochschulpräsidenten erklärte, solche Praktiken seien ihnen so gut wie unbekannt. Vergeblich sagte auch die Grüne Esther Benbassa ihren rechten Ratskolleg:innen: „In 17 Jahren als Dozentin habe ich nie jemanden im Korridor beten gesehen.“

Wettstreit mit Ideen für zusätzliche Restriktionen

Das überzeugte die konservativen Se­na­to­r:in­nen von der Partei Les Républicains (LR) überhaupt nicht. Diese lieferten sich untereinander und dem rechtsextremen Rassemblement national (RN) geradezu einen Wettstreit mit Ideen für zusätzliche Restriktionen im Namen der Laizität – ohne dabei aber die Muslime beim Namen zu nennen. Die LR-Senatorin Jacky Deromedi wollte den Eltern von Kindern, die die Schule schwänzen, die Kinderbeihilfe kürzen oder vorenthalten mit dem Argument: „Es sind meist Problemkinder, die ein wenig aus der Immigration kommen, Kinder, die nicht… hmm, wie soll ich sagen…“

Ebenfalls angenommen wurde der Antrag, bei Hochzeiten im Rathaus fremde Fahnen zu untersagen. Per Gesetz verbieten möchten die Senatoren auch den „Burkini“ in öffentlichen Schwimmbädern, obschon solche Bekleidungen inzwischen, wie unterstrichen wurde, bereits durch die internen Hausordnungen geregelt worden sind.

„Die rechte Senatsmehrheit hat den Gesetzestext in ein Wahlkampfflugblatt verwandelt“, seufzte am Ende der Debatte die sozialistische Senatorin Marie-Pierre de La Gontrie. Sie hat demnach den Eindruck, dass sich Vertreter der Rechten wenige Monate vor den Regionalwahlen aus sehr durchsichtigen Interessen mit ihren Vorstößen, die den Islam in Frankreich in die Schranken weisen sollen, bei einer islamophoben Wählerschaft profilieren wollen. „Um ein Haar hätte die Rechte auch noch die Babouches (die orientalischen Pantoffeln) verboten“, scherzt Nathalie Goulet, eine Senatorin des Zentrums.

„Dieser Text ist ein wahres Gruselkabinett mit Freiheitsbeschränkungen, die fast sicher beim Verfassungsgericht gekippt werden“, kommentierte auch ihr Fraktionskollege Loïc Hervé, der wie Goulet gegen die verschärfte Version gestimmt hat. Die Fraktion der Regierungspartei En marche enthielt sich der Stimme, die linke Minderheit votierte geschlossen dagegen.

Noch sind die Änderungen des Senats aber nicht endgültig.Damit sie am Ende im Gesetz auftauchen, muss auch die Nationalversammlung sie billigen. In dieser verschärften Form dürfte die Gesetzesvorlage in der zweiten Lesung in der Nationalversammlung kaum Chancen habe.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.