Angriff auf Berliner Dragqueen: „Seid sichtbar, seid laut!“

Gloria Viagra wird in einem Park angegriffen; die Attacke live gestreamt. Kein Einzelfall: Die Zahl der Angriffe auf queere Menschen steigt.

Gloria Viagra blickt in die Kamera

Gloria Viagra, hier auf einem Foto von 2020 Foto: Imago

BERLIN taz | Die Lichter der Stadt gehen gerade an. „Bei mir sind die Lichter schon länger an“, witzelt Dragqueen Gloria Viagra mit Bier in der Hand zu Beginn ihres Livestreams. Rund acht Minuten und mehrere Angriffe später ist der Stream vorbei.

Gloria Viagra ist eine Berliner Dragqueen, DJ und Partyveranstalterin. Am 29. März war sie nach einem Event auf dem Heimweg durch den Treptower Park.

Sie und ihre (ebenfalls frisch Corona-getestete) Begleitung wollen noch eine Runde durchs Grüne drehen und dabei eigentlich einen besonderen Abend entspannt ausklingen lassen – der virtuelle Event zuvor war eines der wenigen Highlights in jüngster Pandemiezeit, für das sie sich mit oranger Perücke und viel, viel Glitzer aufgetakelt hatte.

Am Rand der Spree sitzen augenscheinlich noch mehrere kleine Picknick-Gruppen, darunter auch eine Gruppe Jungs. Als die Drags im Fummel an ihnen vorbeilaufen, tönen die Ersten los – es fallen üble queerfeindliche Aussagen, die dieser Text nicht reproduzieren möchte.

„Was willst du?!“, fragt Gloria Viagra anfangs noch nach. Doch es bleibt nicht bei verbalen Angriffen – einer der Beteiligten geht offensichtlich mit einem Tritt auf Gloria Viagra los, man hört ein lautes „Verpiss dich!“, die Kamera des Streams zeigt in diesem Moment den Boden.

Seit Beginn der Pandemie fehlt es an Sichtbarkeit der queeren Community

„Uns ist nichts passiert, aber ich habe so viel Wut in mir“, sagt sie in einem weiteren Video einen Tag später. „Wenn es so weit kommt und wir angegriffen werden, dann schlagen wir auch zurück und dann schlagen wir rein.“

Im Video des Angriffs tritt Gloria Viagra sehr deeskalierend auf. Doch ihre Stimmung habe sich verändert: „Ich war vorbereitet, ich wusste, ich kann so einfach nicht rausgehen, so wie ich bin. Ich habe mich drauf gefreut, nach Monaten endlich wieder in Drag zu sein, und muss immer mit der Spannung im Nacken leben: Gleich kommt was Blödes.“

Zahl der Angriffe auf queere Personen steigt

Tatsächlich werden von Jahr zu Jahr mehr Übergriffe auf queere Personen in Berlin gemeldet. Zum Beispiel beim schwulen Anti-Gewalt-Projekt Maneo. Dort ist man sich aber nicht sicher, ob die gestiegenen Zahlen auf ein erhöhtes Gewaltpotenzial in Berlin oder einfach auf mehr eingehende Meldungen zurückzuführen sind.

Fakt ist: Seit Beginn der Coronapandemie sind natürlich auch queere Großevents abgesagt. Es fehlt an großer, stadtbildprägender Sichtbarkeit der queeren Community in Berlin. CSD, Motzstraßenfest oder schlicht Rückzugsmöglichkeiten sind abgesagt oder geschlossen.

Gloria Viagra will sich von dem Angriff nicht einschüchtern lassen. Ihr Statement zum Ende des Videos: „Seid sichtbar, seid laut, seid selbstverständlich – wir waren immer da und werden immer da sein. Gewöhnt euch dran.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.