Nachhaltige Alternative zu US-Konzern: Amazon auf Katalanisch

In Katalonien hat sich die Initiative „La Zona“ gegründet. Das Projekt ist eine Art faire und soziale Version des US-Konzerns.

Ein Mann schiebt eine mit Pakten beladene Sackkarre auf dem Gehweg

Klimaschonende Anlieferung zum Kunden gehört zu den Zielen von „La Zona“ Foto: Paco Freire/imago

MADRID taz | Während Amazon seit Jahren schon seinen Höhenflug als globaler Wirtschaftsgigant fortsetzt, versucht eine kleine Initiative in Katalonien dem jetzt etwas entgegenzusetzen. Wenn José Alonso über den neuesten Plänen sitzt, verspürt er manchmal „so etwas wie Höhenangst“. Denn Das Projekt „La Zona“ (das Gebiet) ist sehr ehrgeizig. Es soll so eine Art Amazon der Genossenschaften in Katalonien werden.

„Zuerst einmal richtet sich die Idee an die 200 bis 300 Genossenschaften, die im weitesten Sinne als solidarisch und nachhaltig gelten“, erklärt der Wirtschaftswissenschaftler und Ökologe Alonso. Aber insgesamt gebe es in der nordostspanischen Region rund um Barcelona 4.000 Genossenschaftsbetriebe. „Und so mancher könnte auch Interesse an La Zona haben.“

Alonso plant nicht alleine. Er gehört der Genossenschaft Opcions an. Der Betrieb mit sieben Mitarbeitern ist eine Mischung aus Zeitschrift, Unternehmensberatung und Think Tank. Die Zeitschrift kümmert sich um Genossenschaftsthemen im weitesten Sinne, um soziale solidarische Wirtschaft, um Nachhaltigkeit bei Produktion und Konsum und darum, die Wirtschaft und damit die Gesellschaft von unten her zu verändern. „Derzeit beraten wir 18 Genossenschaften. Sorgen dafür, dass sie sichtbar sind“, erklärt er. Das Wort „Marketing“ kommt ihm nicht über die Lippen.

„La Zona als gemeinsame Verkaufsplattform wird dies noch verbessern“, ist sich Alonso sicher. Mit rund 50 Anbietern soll es losgehen. „Schon im Juni wollen wir 200 Genossenschaften haben, die verkaufen“, sagt Alonso.

La Zona wird auf Katalonien beschränkt sein. Denn Nähe zwischen Anbietern und Verbrauchern sei wichtig, um Nachhaltigkeit zu erreichen. Das Projekt erhält aus einem Förderprogramm der katalanischen Autonomieregierung Generalitat 160.000 Euro und von der Stadtverwaltung Barcelona weitere 50.000 Euro.

Der Versandhandel boomt

Der Zeitpunkt für eine Online-Verkaufsplattform ist denkbar günstig. „In der Covidkrise hat sich das Kaufverhalten verändert“, sagt José Alonso. Der Onlinehandel ist immer wichtiger geworden. Das zeigen die Zahlen von Amazon. Deren Einnahmen in Spanien verzeichneten in nur einem Jahr einen Zuwachs um 70 Prozent.

Die Zusteller werden nicht nach Anzahl der Pakete bezahlt, sie bekommen einen festen Lohn

Einer der Anbieter, die bei La Zona von Anfang an dabei sein werden, ist die Genossenschaft Agranel. Arnau Blanchar und seine drei Kollegen vertreiben ökologische Kosmetik, Kör­per­pfle­ge-, Hygiene- und Reinigungsprodukte. Bisher gehen 30 Prozent der Agranel-Verkäufe an andere Großhändler, 35 Prozent an Geschäfte, 30 Prozent an „Grupos de Consumo“, wie die Food Coops in Spanien heißen, und 15 Prozent direkt an den Endkunden. „Hier sehen wir mit La Zona ein Wachstumspotential.“

Vor der Coronakrise belieferten sie Verteilerpunkte in Stadtteilen und Gemeinden, wo der Endkunde dann seine Bestellung abholte. „Doch seit der Pandemie wollen immer mehr Kunden zu Hause beliefert werden“, weiß Blanchar. Das mache es schwierig, den CO2-Ausstoß in Grenzen zu halten. Er hofft, das La Zona „die Auswirkungen des Transports verringern hilft“. Ein Zusammenschluss ermögliche es, Bestellungen gemeinsam abzuwickeln und damit Fahrten und CO2-Ausstoß einzusparen.

Weniger Umweltverschmutzung

Hier kommt Koiki ins Spiel. „Wir machen die letzte Meile, der Weg des Pakets vom Lkw zum Endkunden nachhaltig“, erklärt Patricia de Francisco Escudero, Sprecherin des 2015 entstandenen Transportunternehmens. Es geht ihr um besseren urbanen Lebensraum, um die Reduzierung der Umweltverschmutzung im weitesten Sinne. „Die Zustellung im Lieferwagen belastet nicht nur die Luft, sondern erzeugt Lärm, verbraucht Raum, und macht somit die Stadt weniger lebenswert“, erklärt De Francisco Escudero.

Koiki setzt auf Dezentralisierung, mittels Micro-Hubs in den Stadtteilen und Gemeinden. Derzeit gibt es 50 solcher Verteilerstationen in 17 der 50 spanischen Provinzen. Von dort aus werden die Pakete zu Fuß, mit dem Fahrrad oder dem Roller ausgeliefert.

„Wir arbeiten mit sozialen Kollektiven und Einrichtungen zusammen und schaffen so Arbeitsplätze für benachteiligte Menschen, die schwer vermittelbar sind, und das auf lokaler Ebene“, erklärt die Sprecherin des Transportunternehmens, das mittlerweile zu 23 Prozent der Stiftung des spanischen Erdölkonzerns Repsol gehört.

Koiki zahlt nicht, wie sonst in der Branche üblich, pro zugestelltem Paket. Die Zusteller bekommen einen festen Lohn. Der entspricht dem spanischen Mindesteinkommen von derzeit 1.050 Euro pro Monat.

Das Ziel von Koiki ist es, in den 150 spanischen Städten mit mehr als 50.000 Einwohnern ein Zentrum zu haben. La Zona wird – sollte der Market Place funktionieren – diesen Ausbau in Katalonien beschleunigen. Und Koiki wird sich dabei nicht nur um die letzte Meile, sondern auch um den gesamten Transport kümmern – natürlich mit Elektrofahrzeugen.

Bleibt die „Höhenangst“: „Uns ist klar, dass wir mit großen Einsatz spielen“, sagt Opcions-Sprecher Alonso. La Zona sei wichtig, da sich „die solidarische Wirtschaft in einer Phase befindet, in der es wichtig ist, Unternehmen mittlere Größe zu schaffen, mit 30, 40 Mitarbeitern.“ Nur so könnten sie auf eine würdige Art und Weise wettbewerbsfähig sein. „Kennst Du den Spruch, wonach klein schön ist? Ich glaube, wir müssen dieses Denken überwinden. Mittlere Größe ist auch schön. Und ob groß auch schön ist, werden wir in zehn Jahren sehen, wenn es uns dann noch gibt“, sagt er.

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