Das große Bibbern der Beamten in der AfD

Der Verfassungsschutz könnte die AfD als rechtsextremen Verdachtsfall einstufen. Beamtenbund und Polizeigewerkschaft richten klare Appelle an die Beamten in der Partei

Lehrer und Agitator: Die radikalen Töne von Björn Höcke könnten dem Verfassungsschutz als Beleg für eine Einstufung dienen Foto: Fo­to:­ imago

Von Konrad Litschko

Die Mahnungen sind deutlich: „Beamte müssen sich glasklar von Extremisten distanzieren, da gibt es keine Diskussion“, betont Ulrich Silberbach, Vorsitzender des Beamtenbunds. „Und sollte der Verfassungsschutz bei der AfD extremistische Bestrebungen sehen, dann gilt es hier deutlich Abstand zu halten.“

Ähnlich betont es Jörg Radek, Vizechef der Gewerkschaft der Polizei (GdP): „Der Polizeidienst und ein Engagement bei der AfD passen nicht zusammen. Je aufmerksamer der Verfassungsschutz die AfD in den Blick nimmt, umso größer muss die Distanz unserer Beamten sein.“

Die Ansagen kommen nicht ohne Grund. Denn kommende Woche könnte der Verfassungsschutz bekanntgeben, wie er weiter mit der AfD umgeht. Und vieles spricht dafür, dass eine Hochstufung zum rechtsextremen Verdachtsfall erfolgt. Fortan könnten gegen die Partei auch nachrichtendienstliche Mittel wie Telefonüberwachung oder V-Leute eingesetzt werden.

Das Bundesamt selbst hatte eine Entscheidung Anfang 2021 angekündigt, aktuell schweigt es. In Sicherheitskreisen aber wird von einer Einstufung ausgegangen. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) gab sich am Mittwoch zugeknöpft. Ein Sprecher dementierte die Meldung, Seehofer habe der Einstufung bereits zugestimmt. Das Ministerium hat die Fachaufsicht über das Verfahren und prüft dieses juristisch – eine Niederlage gegen die AfD vor Gericht soll unbedingt vermieden werden.

Bereits vor zwei Jahren hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD als Prüffall eingestuft. Den rechtsextremen „Flügel“ um Björn Höcke und Andreas Kalbitz sowie die AfD-Jugend wertete der Geheimdienst bereits damals als Verdachtsfall, eine Stufe höher. Im März 2020 erklärte der Verfassungsschutz den „Flügel“ dann sogar zum vollen Beobachtungsobjekt: Dieser sei eine „erwiesen extremistische Bestrebung“.

Der „Flügel“ löste sich in der Folge auf. Seine AnhängerInnen um Höcke aber blieben in der AfD weiter aktiv. Kalbitz wurde dagegen wegen Formalia aus der Partei ausgeschlossen. Der Verfassungsschutz machte zuletzt aber deutlich, dass die „Flügel“-Leute in der AfD weiter prägend seien.

Die AfD kündigte im Falle einer Einstufung Klagen an. „Wir werden uns, wie wir wiederholt angekündigt haben, juristisch dagegen wehren“, sagte AfD-Chef Tino Chrupalla.

Kommt es zur Einstufung, dürfte vor allem die Nervosität der Beamten in der AfD steigen. Denn diese sind zur Verfassungstreue und zu politischer Mäßigung verpflichtet. Unter den AfD-Abgeordneten im Bundestag und den Landesparlamenten finden sich mehrere PolizistInnen und Bundeswehrangehörige. Björn Höcke ist Lehrer, der Sachse Jens Maier ein Richter, der Baden-Württemberger Thomas Seitz ein Staatsanwalt.

Schon 2019, nach der ersten Einstufung der AfD, hatte Seehofer ein Gutachten eingeholt. Das Ergebnis: Eine reine Mitgliedschaft in einer Partei, die vom Verfassungsschutz als Prüf- oder Verdachtsfall eingestuft ist, bleibt beamtenrechtlich noch ohne Konsequenz. Entscheidend sei das individuelle Verhalten, etwa mit exponierten Posten, umso mehr von den bereits als verfassungsfeindlich deklarierten „Flügelianern“. Zu prüfen sei immer im Einzelfall. So wurde dem „Flügel“-nahen Seitz bereits 2018 tatsächlich sein Beamtenstatus aberkannt.

Für Beamtenbund-Chef Silberbach ist klar: „Wer nicht mit beiden Beinen auf dem Boden des Grundgesetzes steht, der kann kein Beamter sein. Es ist offensichtlich, dass es rechtsextremistische Tendenzen in Teilen der AfD gibt und dass die Partei sich nicht ausreichend davon distanziert hat.“ Auch GdP-Vize Radek begrüßt, dass der Verfassungsschutz „bei der AfD genau hinschaut“. Für Polizeibeamte könne es hier „kein Sowohl-als-auch geben“. Radek verweist auf die „Tabubrüche“ von AfD-PolitikerInnen, das Verschieben des Diskurses „ins Unerträgliche“. Und weiter: „Sie sind daher mitverantwortlich für eine gesellschaftliche Spaltung.“