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Ungarns Fidesz-Partei und CDU/CSUStillhalten mit Orbán

Eric Bonse
Kommentar von Eric Bonse

Europa findet kein Gegenmittel gegen den reaktionären Kurs von Viktor Orbán. Das liegt auch am Machtinteresse von CDU und CSU im EU-Parlament.

Die EU findet kein probates Mittel gegen den reaktionären Kurs von Viktor Orbán Foto: John Thys/ap

V or unseren Augen verwandelt sich Ungarn in einen illiberalen, reaktionären Staat. Dabei geht es nicht nur um die ungarische Asylpolitik, die der Europäische Gerichtshof am Donnerstag erneut als rechtswidrig verurteilt hat. Regierungschef Viktor Orbán und seine Fidesz-Partei krempeln auch die Familienpolitik, die Hochschulen und die Medien um, um ihre Macht zu festigen.

Doch die Europäische Union findet kein probates Gegenmittel. Die höchstrichterlichen Urteile verpuffen ohne Wirkung, ein Artikel-7-Verfahren wegen Verstoßes gegen die Grundwerte verlief ergebnislos im Sande. Selbst der neue Rechtsstaatsmechanismus, der das EU-Budget vor Missbrauch schützen soll, kommt zu spät. Bis er endlich greift und Finanzhilfen an Ungarn gekürzt werden, dürften noch Monate, wenn nicht Jahre vergehen.

Wer nach Gründen fragt, muss nicht lange suchen: Sie liegen bei der CDU/CSU und ihrer Führung. Erst hat die CSU jahrelang ihre schützende Hand über Orbán gehalten. Dann hat sich Angela Merkel auf Händel mit Orbán eingelassen. Bei einem dieser Deals wurde die neue Rechtsstaatsklausel entschärft.

Und nun hat offenbar CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer nicht nur durchgesetzt, dass das ungarische Militär mit deutschen Waffen ausgerüstet wird. Sie hat auch verhindert, dass Fidesz aus der konservativen Parteienfamilie EVP geworfen wird und es Sanktionen gegen EVP-Mitglieder setzt. So munkelt man jedenfalls in Brüssel. „Die Deutschen“, so heißt es im Europaparlament, hätten den überfälligen Schritt verhindert.

Merkels Handschrift

Was war passiert? Der Orbán-Vertraute Tamas Deutsch hatte EVP-Fraktionschef Manfred Weber beleidigt und in die Nähe der Gestapo gerückt. Österreicher, Niederländer und andere liberale Konservative forderten daraufhin seinen Rauswurf. Doch die deutschen Christdemokraten stemmten sich dagegen. Am Ende gab es nur einen Maulkorb für Deutsch und eine neue Gnadenfrist für die Fidesz-Partei.

Man muss kein Verschwörungstheoretiker sein, um hinter dieser unmoralischen Fehlentscheidung die Handschrift von AKK und von Merkel zu erkennen. Beide wollen Orbán bei Laune halten – denn das ungarische Parlament muss noch das neue EU-Budget und den Corona-Aufbaufonds ratifizieren. Bis dahin, so heißt es in Brüssel, gilt ein Stillhalteabkommen. Erst wenn alles unter Dach und Fach ist, könne man endlich durchgreifen. Doch in Wahrheit geht es nicht nur ums Geld, es geht auch um die Macht. Ohne Fidesz würde die EVP ihren Status als größte Fraktion im EU-Parlament verlieren. CDU/CSU scheinen bereit zu sein, dafür die europäischen Werte zu verkaufen.

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Eric Bonse
EU-Korrespondent
Europäer aus dem Rheinland, EU-Experte wider Willen (es ist kompliziert...). Hat in Hamburg Politikwissenschaft studiert, ging danach als freier Journalist nach Paris und Brüssel. Eric Bonse betreibt den Blog „Lost in EUrope“ (lostineu.eu). Die besten Beiträge erscheinen auch auf seinem taz-Blog
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11 Kommentare

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  • Dieses Einknicken vor Orbán ist ein Schlag ins Gesicht für die ungarische Zivilgesellschaft (ja, die gibt es!) und alle ungarischen Oppostionspolitiker. Zwar ist es wahr, dass das ungarische Volk sich schon selbst von dem Fidesz Regime befreien muss. Aber das ist aufgrund der Änderungen der Wahlgesetze und der Zuschnitte der Wahlkreise durch die Fidesz sehr schwer, wenn nicht beinahe unmöglich. Ohne die Gelder der EU wäre Orbán höchstwahrscheinlich nicht mehr an der Macht- und in dieser Situation wird Orbán weiterhin von der EU finanziell unterstützt! Für Oppositionspolitiker wie den Bürgermeister von Budapest bedeutet das einen schier aussichtslosen Kampf.

  • "Es ist allerhöchste Zeit, dass diese beiden von der politischen Bildfläche verschwinden."

    Klar, mit den 3+1 von der Resterampe der CxU wird dann alles besser...

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    "Man muss kein Verschwörungstheoretiker sein, um hinter dieser unmoralischen Fehlentscheidung die Handschrift von AKK und von Merkel zu erkennen."

    Es ist allerhöchste Zeit, dass diese beiden von der politischen Bildfläche verschwinden.



    Ein Lob der Kanzlerin, wie man es öfters mal aus dem Ausland hört, kann ich nicht nachvollziehen.



    Ein wirklich charakteristisches Merkmal von Merkel ist, dass sie unser Steuergeld mit vollen Händen rauswirft.

  • "...scheinen bereit zu sein, dafür die europäischen Werte zu verkaufen."



    Was sollen denn diese europäischen Werte sein und wäre es nicht an der Zeit, hierüber die europäischen Völker entscheiden zu lassen?

    • @PS007:

      "Was sollen denn diese europäischen Werte sein"

      z.B. Gewaltenteilung, unabhängige Justiz, Menschenrechte (auch von Minderheiten), usw usf ...

  • Danke, Merkel! Danke, Söder!

    Ironie off.

    Diese 15 Jahre kommen durch das Virus zu dem Ende mit Paukenschlag, das das Verdikt der Geschichte zementieren wird: Merkel und ihr Hofstaat haben die EU von innen hinaus vernichtet und Deutschland ruiniert - völlig anders, als die AfD wahnt, aber zerstört und ruiniert dennoch.

  • "CDU/CSU scheinen bereit zu sein, dafür die europäischen Werte zu verkaufen."

    den einzigen Wert den diese Menschen kennen ist Macht.

  • 8G
    82286 (Profil gelöscht)

    Europa findet kein Gegenmittel gegen den reaktionären Kurs von Viktor Orbán.



    - Das ist lächerlich.



    Das liegt "auch" am Machtinteresse von CDU und CSU im EU-Parlament.



    - Nicht "auch" - sondern nur ...



    Bleibt man mit der Frage zurück: Warum findet die CDU/CSU keine anderen Mehrheiten als die, sich mit einem Fascho zu verbünden?

    • @82286 (Profil gelöscht):

      Tja, gleich und gleich gesellt sich gern. Manchmal ist an Bauernweisheiten etwas dran.

      Ohne Orban verliert die Union ihren langen Hebel EVP im Parlament. Bevor man Macht abgibt, koaliert man lieber mit Faschisten und Antisemiten. Dass man währenddessen indirekt selbst einer wird, scheint in der Union nicht zu stören. Mit dem dreckigen Kuhhandel für die Uschi, war am Ende doch alles klar. Macht ist wichtiger als Prinzipien. Schauen sie sich doch die Bilanz in der EU der letzten Jahre an. Alle negativen und faulen Kompromisse sind direkt auf die Union und Deutschland zurück zu führen. Ein reines Trauer spiel. Deutschland schadet der EU seit Jahren mehr, als es die PiSser und der Fascho aus Budapest könnten.