Bebilderung von Tod und Sterben: Stockfotos aus der Hölle

Medialen Bilder prägen unsere Vorstellung vom Tod. In deutschen Medien dominieren dabei Bilder, die an Tristesse kaum zu überbieten sind.

Ein Grabstein in Form einer Gitarre

Ein Grabstein in Form einer Gitarre statt engelsgleicher Marmorfiguren Foto: epd/imago [M]

Jedes Mal, bevor ich montags meine neue Kolumne in den sozialen Netzwerken poste, muss ich tief durchatmen. Nicht etwa, weil ich Angst vor meiner eigenen Courage habe, eine Kolumne über den Tod zu schreiben – sondern weil meine Timeline mittlerweile mit Stockfotos aus der Hölle gepflastert ist.

Wenn Sie passionierte Printzeitungsleser*in sind, wissen Sie wahrscheinlich nicht, wovon ich spreche. Wenn Sie hingegen taz.de lesen, sieht das anders aus. Ich kann die Fotos, die meine bisherigen Kolumnen bebildern, ja mal kurz für Sie Revue passieren lassen:

1) Eine runzlige Männerhand hält eine runzlige Frauenhand (denn der Tod betrifft uns ja erst, wenn wir alt sind – ganz, ganz alt)

2) ein Herr im Gehrock schüttet ein Grab zu, Nahaufnahme eines Sarges inklusive Männerarm im schwarzen Anzug (Eiche rustikal mit Messingbeschlägen, mein bisheriger Tiefpunkt)

3) ein Grablicht mit zwei vertrockneten Röschen (Tiefpunkt Nummer zwei)

4) eine engelsgleiche Marmorfigur legt tröstend die Hände aufs gesenkte Haupt einer anderen Figur

Schmuddelecke der anderen Art

Schuld daran ist sicherlich nicht die gute alte taz – dafür reicht ein kurzer Blick in die entsprechenden Foto-Datenbanken. Gibt man dort das Stichwort Tod ein, hat man das Gefühl, in der Schmuddelecke der etwas anderen Art gelandet zu sein. Dort wimmelt es nur so von Grablichtern, Krankenhausschläuchen und dahinwelkenden Rosenblättern. Das ist nicht nur ästhetisch fragwürdig – diese medialen Bilder sind es, die unsere Vorstellung vom Tod prägen.

Was mich daran besonders stört, ist die Tatsache, dass diese Bilder alle aus einer Art abgeschlossenem Universum zu kommen scheinen, das an Tristesse kaum zu überbieten ist. Einem, das mit uns und unserem Leben so gar nichts zu tun hat – und da wundern wir uns, wieso sich niemand zu Lebzeiten mit dem Tod beschäftigen will. Oder haben Sie Lust, zwischen Weihnachtseinkäufen und Abendessen mal schnell zu schauen, was sich hinter dem Sarg in Eiche rustikal verbirgt?

Wir sind so gewöhnt an diese Bilder, dass sie uns fast unvermeidlich scheinen. Das nennt man Konditionierung. Ich wage stark zu bezweifeln, dass wir ähnliche Bilder außerhalb unserer westlichen Kultur finden. Doch so weit müssen wir gar nicht schauen. Ich habe mal für Sie in die sozialen Netzwerke von modernen Trauer­begleiter*innen und Bestatter*innen nachgeschlagen. Da sehen Sie zum Beispiel:

1) Menschen, die einen hellen Kiefernsarg bemalen (verrückt: sogar selbst bauen darf man so was)

2) ein kleiner Junge wirft Konfetti auf ein Grab

3) Glühweingläser vor einer Feuerschale (Trauerfeier in Zeiten von Corona)

4) ein Tisch voller Essen (der Leichenschmaus wird unterschätzt)

5) ein Grabstein in Form einer Gitarre.

Geht doch. Jetzt müssen nur Medien noch mitmachen. Mein Wunsch fürs nächste Jahr ist: Raus aus der Schmuddelecke.

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Caroline Kraft schreibt als freie Autorin u.a. für Zeit Online und das Missy Magazine. Ihre Kolumne "Schluss jetzt" erscheint alle drei Wochen in der taz. Sie ist ehrenamtliche Sterbebegleiterin und chronische Bestatterpraktikantin. Zusammen mit Susann Brückner betreibt sie den Podcast "endlich. Wir reden über den Tod". Ihr gemeinsames Buch “endlich. Über Trauer reden" ist 2022 im Goldmann Verlag erschienen.

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