Bremer Enquetekommission Klimaschutz: Nahverkehr fährt hinterher

Die Klimaschutz-Enquete hat sich Gedanken gemacht, wie die Stadt im Verkehr CO2 einsparen kann. Dafür müssten vor allem mehr Busse und Bahnen fahren.

Nahaufnahme: Abgase kommen aus einem Auspuff

Hier kommt einfach zu viel klimaschädlicher Dreck raus Foto: Sebastian Gollnow/dpa

BREMEN taz | Eine „Trendumkehr“ im Verkehrssektor sei notwendig, sagte Wiebke Zimmer gleich zu Beginn der Sitzung der Enquetekommission Klimaschutz. Der Anteil des Sektors an Bremens Emissionen sei zwar „im nationalen Vergleich relativ gering“, so Zimmer, Bereichsleiterin Ressourcen und Mobilität am Öko-Institut. Aber das liege nicht etwa am klimafreundlichen Verkehr, sondern am hohen Output der anderen Sektoren – man denke nur ans Stahlwerk. Zimmer ist Expertin in der Kommission, die am Freitag online tagte.

Zwar legen Bremer*innen ein Viertel ihrer Wege mit dem Rad zurück, aber nur 15 Prozent mit Bus und Bahn. Ausbaufähig, findet Expertin Philine Gaffron vom Institut für Verkehrsplanung und Logistik der Technischen Uni Hamburg.

Wirklich wichtig sei aber die Frage, wie viele Kilometer Bremer*innen insgesamt mit dem Auto zurücklegen. Laut einer Studie sind das 63 von 100, sagte Gaffron. Und Pendler*innen, die tagsüber die Stadt befahren, seien hier noch gar nicht mit eingerechnet. Unterm Strich heißt das: „7,8 Millionen Kilometer werden pro Tag im Bremer Netz gefahren.“ Das ist zu viel.

Potential gebe es vor allem bei Auto-Kurzstrecken, so Gaffron. Doch dafür brauche es einen attraktiveren öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Zuständig ist die Bremer Straßenbahn AG (BSAG). Andreas Busch, Leiter der BSAG-Verkehrsplanung, berichtete Expert*innen und Abgeordneten von den Plänen des Unternehmens: Um Fahrgäste zu gewinnen, will die BSAG bequemer werden, zuverlässiger – und vor allem schneller.

Ein attraktiverer Nahverkehr würde 40 Millionen Euro im Jahr kosten

Denn vorrangig die langen Fahrtzeiten störten die meisten Nichtnutzer*innen, so Busch. Bei den Wegen vom Stadtrand in die Innenstadt schneidet der ÖPNV wirklich schlecht ab: Nur aus Vegesack bringen Straßenbahn und Co. eine*n schneller ins Zentrum. Sonst gewinnt fast immer das Auto.

Erst wenn das Angebot verbessert sei, könnten andere Maßnahmen wie die autofreie Innenstadt und das Umgestalten vom Parkraum wirken, sagte Busch. Kurz- und mittelfristig setze die BSAG dafür auf mehr Fahrten und einen Ausbau des Busnetzes, Letzteres vor allem für Querverbindungen zwischen den Stadtteilen und am Stadtrand.

Das Ziel sei, den Fahrplan bis 2030 überflüssig zu machen, also eine Garantie dafür zu geben, dass von den meisten Haltestellen innerhalb von fünf Minuten ein Anschluss fährt. Das soll vor allem auf den am stärksten befahrenen Strecken gelten und insgesamt 85 Prozent der Bremer*innen erreichen. Dafür werde der Takt der Fahrten erhöht, tagsüber auf alle fünf Minuten auf stark befahrenen Strecken. Auch Schnellbusse soll es geben. Das koste pro Jahr 40 Millionen Euro mehr; die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens werde darunter leiden, sagte Busch..

Auch das Ziel Klimaneutralität hat Busch im Blick, wie bei der Anschaffung der benötigten neuen Fahrzeuge. Die CO2-Emissionen des Unternehmens liegen momentan bei knapp 30.000 Tonnen pro Jahr. 80 Prozent davon kommen aus Dieselbussen. Die Straßenbahnen fahren bereits seit 2010 mit Ökostrom. Ziel sei, bis 2025 die Hälfte der gefahrenen Kilometer emissionsfrei anzubieten.

Auch mehr Straßenbahnlinien sollen kommen, aber das stehe gerade nicht im Fokus. Zu „langwierig und konfliktbehaftet“ seien die Projekte, wie die Linie nach Huchting gezeigt habe, sagte Busch. „So etwas Ambitionsloses habe ich selten gesehen“, kritisierte Jens Eckhoff (CDU). Er hält einen Ausbau der Linien auch zeitiger für möglich, wenn man denn will und sich nicht „von jeder kleinen Bürgerinitiative“ ausbremsen lässt.

Busch versuchte zu beruhigen: „Wir haben das nicht aufgegeben.“ Die Pläne seien ja im Verkehrsentwicklungsplan festgehalten – da gehe es um die Linien eins und acht und die Anbindung der Überseestadt. Aber es sei „einfach Realität“, dass dies nicht so schnell umsetzbar ist wie die anderen Maßnahmen.

Ein besserer ÖPNV ist sozial gerechter Klimaschutz

Der ÖPNV ist nur eine der vielen Stellschrauben bei der Verkehrswende. Aber eine Verbesserung hier sei auch sozial gerecht, sagte Gaffron. Denn wer reich ist, fährt eher das eigene Auto. Wer weniger verdient, fährt mehr Bus und Bahn.

Nicht zuletzt braucht es für einen anderen Verkehr auch eine Verhaltensänderung der Menschen, erinnerte Zimmer. Philipp Bruck (Grüne) wies aber auch darauf hin: „Wir haben hier viel selbst in der Hand und sind nicht so sehr auf Bund und EU angewiesen.“ Die Ambitionen dürften daher ruhig groß sein.

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