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Kommentar von Marco Carini über die Demokratie in Corona-ZeitenBremen ist ein gutes Vorbild

Pandemie-Bekämpfung versagt, wenn nur wenige entscheiden und viele sich verweigern

Es wird Zeit: Die Phase, in der schnelles Handeln auf unbekanntem Terrain erforderlich war, ist vorbei. Nun geht es nicht mehr nur darum, die Virusbekämpfung effektiv und erfolgreich zu gestalten. Es geht auch darum, sie demokratisch zu gestalten. Die Parlamente in Bund und Ländern müssen auch die Chance erhalten, die Pandemie-Politik aktiv mitzugestalten statt sie nur abzunicken.

Je mehr der gesellschaftliche Konsens über die Notwendigkeit von Abstand und Maske im Verlauf der Viruswellen ausfranst, umso mehr braucht es eine breite Mitbestimmung der Parlamente, aber auch der Zivilgesellschaft, um möglichst viele Menschen auf dem Weg der Zumutungen mitzunehmen. Pandemiebekämpfung wird versagen, wenn nur wenige entscheiden und viele sich verweigern.

Das am Dienstag beschlossene Bremer Gesetz zur Stärkung der Bürgerschaft ist da eine gelungene Antwort. Dort, wo es schnell gehen muss, darf der Senat weiter verordnen; dort wo der politische Mehrheitswille ein anderer ist, die Bürgerschaft anschließend korrigieren. Es bedarf dieser besonderen rechtlichen Erwähnung, um die Machtverhältnisse klarzustellen. So ist das neue Bremer Gesetz eine Aufforderung an die Bürgerschaft, bei der Pandemiebekämpfung eine aktivere Rolle zu spielen als bisher.

Andere Bundesländer sind nun aufgefordert nachzuziehen. Damit im Parlament über Pandemiebekämpfung nicht nur diskutiert, sondern auch gestaltet wird. Nur eine breite Debatte und ein demokratischer Politikprozess nehmen den Corona-Leugnern und Verschwörungsfanatikern den Wind aus den Segeln.

Grund- und Freiheitsrechte sind ein sehr hohes Gut jeder freiheitlichen Gesellschaft. Ihre zeitweise Einschränkung in der Krise braucht deshalb eine breite demokratische Legitimation. Ohne Parlamente mit Entscheidungsmacht aber ist die nicht zu haben.

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