: Geld spielt (fast) keine Rolle
Sich ehrenamtlich zu engagieren, erfüllt Menschen, die sich dafür entschieden haben. Anstoß gibt meist die Motivation, andere Menschen zu unterstützen
Von Anja Karrasch
Als Herbert Jochens Frau unheilbar an Krebs erkrankte, erlebte sie die letzte Zeit ihres Lebens in der liebevollen Atmosphäre eines Hospizes schmerzfrei an seiner Seite. Viele Freunde und ehrenamtliche Sterbebegleiter besuchten sie und sorgten für Ablenkung, wenn sie ihr aus dem Alltag oder von ihren Reisen erzählten.
Diese Erfahrung motivierte Herbert Jochen, künftig selbst Menschen während ihrer verbleibenden Lebenszeit als Sterbebegleiter zu unterstützen. „Ich habe das als Verpflichtung meiner Frau gegenüber gespürt, weil ich gesehen habe, wie gut ihr die Betreuung und die Besuche getan haben. Und diese Entlastung in ihrem Sinne an andere Menschen weiterzugeben, hat mich angetrieben, die Ausbildung zu machen“, sagt der 72-Jährige. In einem ambulanten Hospizdienst in Hamburg lernte er in einer halbjährigen Ausbildung den Umgang und die Begleitung von Menschen in ihrer letzten Lebensphase. Eine verantwortungsvolle Aufgabe, bei der ihm die diakonische Einrichtung mit Supervision, Seminarangeboten und einem festen Ansprechpartner bei Fragen und Problemen zur Seite steht.
Eine gute Vorbereitung und eine gute Betreuung: Genau darauf kommt es an, wenn man sich ehrenamtlich engagiert. Egal ob nun als Sterbebegleiter, wie Herbert Jochen, oder als Familienpatin, Nachhilfelehrer, in einer Kleiderkammer oder als Senior Expertin im Ausland. Wer für sich herausgefunden hat, welches Ehrenamt den eigenen Interessen entspricht und gut zur individuellen Lebenssituation passt, sollte vorab auf einige grundlegende Dinge achten.
„Wichtig ist, in den ersten Gesprächen mit der gemeinnützigen Organisation zu klären: Was mache ich hier konkret? Wie lange ist meine Einsatzzeit? Wer ist für mich zuständig, wenn ich eine Frage, eine Idee oder ein Problem habe? Bekomme ich Materialkosten erstattet oder eine Aufwandsentschädigung?“, empfiehlt Birgit Bursée von der Freiwilligenagentur Magdeburg. Wenn dann auch noch die „Chemie“ stimmt, kann das Engagement beginnen. Empfehlenswert ist es, zunächst eine Probezeit zu vereinbaren, um zu schauen, ob alles passt. „Ehrenamtliches Engagement funktioniert gut, wenn die Organisationen für gute Rahmenbedingungen sorgen und klare Absprachen zur Zusammenarbeit getroffen werden.“
Ob eine freiwillige Tätigkeit einen Versicherungsschutz beinhaltet, hängt von der konkreten Tätigkeit beziehungsweise dem Projektträger ab. In vielen Fällen besteht während der Tätigkeit ein Unfallversicherungsschutz. Viele Vereine haben Vereinshaftpflichtversicherungen, sind über die Berufsgenossenschaft abgesichert oder es gibt gesetzliche Regelungen wie in der Wohlfahrtspflege. Jeder, der eine private Unfall- oder Haftpflichtversicherung abgeschlossen hat, sollte klären, ob diese auch bei Schadensfällen während der freiwilligen Tätigkeit greifen. Meistens gestaltet sich ein freiwilliges Engagement ganz unkompliziert. „Glücklicherweise gibt es in der Praxis wenige Versicherungsfälle“, berichtet Birgit Bursée.
Da es sich bei einem Ehrenamt um eine freiwillige Tätigkeit handelt, wird sie grundsätzlich nicht vergütet. Viele Einrichtungen, Vereine und Organisationen erstatten den ehrenamtlich Tätigen jedoch zumindest den Aufwand und die Auslagen, häufig in Form einer Pauschale oder eines Taschengeldes. Wenn Senioren für ihre freiwillige Arbeit eine Aufwandsentschädigung erhalten, können sie diese in den meisten Fällen im vollen Umfang behalten. Nur bei einer vorgezogenen Altersrente oder bei einer Erwerbsunfähigkeitsrente gibt es Zuverdienstgrenzen, die beachtet werden müssen.
Wünschenswert ist, dass den Freiwilligen alle Kosten, die ihnen in ihrem Engagement entstehen, erstattet werden. Das können Materialien für den Kreativkurs im Stadtteilzentrum, Bücher und Arbeitshefte für die Schülernachhilfe oder Zeitschriften für den Vorleser im Pflegeheim sein. Auch die Erstattung der Fahrtkosten zur Einsatzstelle ist möglich. Selbst wenn die Budgets in den Einsatzstellen klein sind, finden sich in vielen Fällen – mit etwas Kreativität – Lösungen, die für beide Seiten akzeptabel sind.
Bei allen rechtlichen, finanziellen und organisatorischen Fragen steht an erster Stelle die Motivation, sich zu engagieren, mit anderen Menschen Zeit zu verbringen und sie zu unterstützen. Wie überall kann es dabei auch zu Problemen oder Konflikten kommen. Vielleicht entspricht die freiwillige Tätigkeit nicht den eigenen Erwartungen. Vielleicht ist die Art der Tätigkeit nicht die richtige. Möglicherweise ist die Kommunikation im Team nicht wertschätzend. Darüber offen mit dem Ansprechpartner in der Organisation zu reden, ist ein erster Schritt. Der nächste könnte im gegenseitigen Einvernehmen der Wechsel in eine andere Einrichtung sein. Denn eins ist sicher: Mit Wertschätzung und Anerkennung macht freiwilliges Engagement gleich noch mehr Sinn und Spaß.
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