CDU kritisiert Atomlager an der Weser: Neue Gegner für Würgassen

Rund um das im Dreiländereck geplante Zwischenlager wächst der Unmut. Nun protestiert sogar die CDU im benachbarten Holzminden.

Auf dem Geländes des ehemaligen AKW Würgassen soll ein zentrales Lager für Atommüll entstehen

Neues Atomdrehkreuz? Ehemaliges AKW Würgassen Foto: Peter Hartenfelser/imago

HANNOVER taz | Bei manchem in der niedersächsischen Grünen-Fraktion hat das Foto ungläubiges Gelächter ausgelöst: Da hockt der langjährige Innenminister Uwe Schünemann (CDU), der in seiner Amtszeit hart gegen Castorproteste vorging, beim Ortstermin mit Parteikollegen auf einem überwucherten Gleis. Es führt zum alten Atomkraftwerk Würgassen, das 1994 den Betrieb einstellte.

Hier geht es nicht ums „Schottern“, aber die Botschaft des Bildes ist klar: Die Bahnstrecke taugt nicht für den Transport von Atommüll, die Niedersachsen-CDU hält das Gelände des einstigen AKW für den falschen Standort für ein großes Atommüllzwischenlager im Dreiländereck Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Hessen.

Hier will die bundeseigene Gesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ) vorübergehend nahezu allen in Deutschland anfallenden schwach- und mittelradioaktiven Atommüll abstellen, die für das Endlager im Schacht Konrad bestimmt sind. Geplant ist ein „Logistikzentrum“, eine rund 325 Meter lange, 125 Meter breite und 16 Meter hohe Halle aus Stahlbeton. Kosten: 450 Millionen Euro.

Nun ist es nicht so, dass Schünemann und seine CDU plötzlich ins Lager der Atomgegner gewechselt sind. Aber das westfälische Würgassen grenzt direkt an Schünemanns Wahlkreis im niedersächsischen Holzminden. Da denkt auch der einstige CDU-Hardliner darüber nach, ob das Lager wirklich nötig ist. Schünemann fordert nun, Schacht Konrad aus bereits bestehenden Zwischenlagern im gesamten Land zu beliefern.

Keine neuen Gutachten

„Die Entwicklung im Bereich der Logistik ist enorm“, schrieb er ans Bundesumweltministerium. Mithilfe von künstlicher Intelligenz könnten die Atomlieferungen so optimiert werden, dass eine zentrale Zwischenlagerstätte überflüssig ist. Das solle eine neue Studie belegen. Doch das Ministerium in Berlin winkte ab: Ein weiteres Gutachten ergebe keinen Sinn, man befasse sich seit Jahren mit der Frage, die Entsorgungskommission habe 2018 die Notwendigkeit eines Bereitstellungslagers bestätigt.

Der Haken sind die Einlagerungsbestimmungen für Schacht Konrad, ein stillgelegtes Eisenerz-Bergwerk und genehmigtes Endlager nahe Salzgitter, wo ab 2027 wenig strahlender Atommüll aus Krankenhäusern oder stillgelegten AKWs eingelagert werden soll. Weil diese Regeln eine strenge Reihenfolge und Grenzwerte für die einzelnen Gebinde festlegen, müssen die Abfälle neu zusammengestellt werden. Am Schacht Konrad selbst sei dafür kein Platz, sagt das Umweltministerium.

Die niedersächsischen Grünen vermuten eher, dass man Angst hat, den Planfeststellungsbeschluss für Schacht Konrad noch einmal anzurühren. „Es ist doch jedem klar, dass der nach heutigen Maßstäben nicht genehmigungsfähig wäre“, so der Landtagsabgeordnete Christian Meyer, der seinen Wahlkreis ebenfalls in Holzminden hat.

Miriam Staudte, Atomexpertin der Fraktion, hält die eingleisige Bahnstrecke vor Ort wie Schünemann für untauglich und sagt: „Natürlich schreit keine Gemeinde Hurra, wenn sie als Standort ausgewählt wird.“ Zudem sei das „gesamte Verfahren intransparent und fragwürdig“. Auswahl und Gewichtung der Entscheidungskriterien erschließen sich vielen nicht.

Autobahnzufahrten sind weit entfernt

„Wir haben den Eindruck, diese Kriterien sind so zurechtgebogen worden, dass am Ende nur Würgassen herauskommen konnte“, sagt Dirk Wilhelm von der Bürgerinitiative „Atomfreies 3-Ländereck“. Warum sei zum Beispiel die Entfernung zu Wohngebieten auf 300 Meter festgeschrieben worden? Für Windräder gälten mancherorts bis zu 1.000 Meter. Autobahnzufahrten sind weit entfernt, die Bahnstrecke nur eingleisig. Würgassen liegt in einem Hochwasserschutzgebiet und einer Tiefflugzone.

Wilhelm, der früher selbst im AKW gearbeitet hat, glaubt, dass die Entscheidung letztlich eine politische war: „Schacht Konrad ging nicht, in Niedersachsen gibt es zu viel gewachsenen Widerstand – aber hier hat man eine strukturschwache Region direkt hinter der Landesgrenze, in der ohnehin schon einmal ein Atomkraftwerk stand.“

Von den neun Liegenschaften, die das BZG in der engeren Wahl hatte, wurde nur Würgassen für weitere Untersuchungen auserkoren. Das Bundesumweltministerium weist solche Vorwürfe zurück. Die Kriterien seien bereits im Sommer 2018 veröffentlicht worden, alle weiteren Informationen zu Standortsuche und -auswahl seien für jeden öffentlich einsehbar.

Man könne für ein solches Lager aber auch nicht dieselben Kriterien wie bei der Endlagersuche anlegen, erklärt ein Ministeriumssprecher. Das betont auch die BZG: Es gehe nur um schwach- bis mittelradioaktive Abfälle. Die Atombehälter sollen in Würgassen auch lediglich neu zusammengestellt und nicht geöffnet werden. Das Bereitstellungslager soll nur so lange in Betrieb sein, bis Schacht Konrad befüllt ist. Das sei etwas anderes als die Endlagerung hochradioaktiver Castoren, die für die nächsten hundert Jahre strahlungssicher sein müssten.

Vor Ort überzeugt man damit aber niemanden. Ein Auftritt der BGZ-Führung im Holzmindener Kreistag mündete in einer einstimmigen Resolution gegen das Zwischenlager. Drei Landkreise, 13 Städte und Gemeinden haben sich mittlerweile angeschlossen. Nach der Sommerpause wird sich der Niedersächsische Landtag mit dem Thema befassen.

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