piwik no script img

Honorare freier LokaljournalistInnenNur ein Taschengeld

Obwohl Lokaljournalismus so wichtig ist, wird er beschissen bezahlt – zu diesem Ergebnis kommt eine neue Erhebung des Vereins Freischreiber.

Systemrelevant: Lokaljournalismus Foto: imago images

F alls Sie es noch mal hören wollen: Medien sind systemrelevant. Hat sich ja gerade in der Coronakrise erwiesen beziehungsweise erweist sich immer noch. Ganz wichtig sind dabei lokale Informationen, und die finden in Deutschland meistens noch in Form von Zeitungen statt. Weil Lokaljournalismus so wichtig ist, wird dort gut bezahlt. Das gilt auch für die freien Mitarbeiter*innen, ohne die Lokaljournalismus schlicht nicht möglich wäre.

Äh – stopp. Richtig müssen die letzten beiden Sätze lauten: Obwohl Lokaljournalismus so wichtig ist, wird dort beschissen bezahlt. Das gilt erst recht für die freien Mit­ar­bei­te­r*in­nen. Zu diesem wenig überraschenden, dennoch traurigen Ergebnis kommt der neue Honorarreport von Freischreiber. Der 2008 als Selbstorganisation und Lobbyverband der Freien Mitarbeiter*innen gegründete Verein ermittelt seit 2018, wer als FreieR wie viel verdient. Die Zahlen, die über das Honorartool www.wasjournalistenverdienen.de anonym eingegeben werden können, sind nicht repräsentativ. Aber mit über 2.000 Angaben dennoch höchst aussagekräftig.

„In einem der wichtigsten Ressorts unserer Branche gibt es für rund ein Viertel der freien Journalist*innen kein Honorar, sondern ein Taschengeld, von dem sie nicht leben können“, bilanziert Freischreiber. Über ein Viertel der freien Lo­kal­jour­na­lis­t*innen verdienen maximal 10 Euro brutto pro Stunde.

Wer jetzt sagt „Na, ist doch mehr als der Mindestlohn von 9,35 Euro“ darf nicht mehr weiterlesen. Und wer mit dem Argument kommt, die meisten Lokalpolitiker*innen machten das ja auch ehrenamtlich, hat Entscheidendes nicht verstanden.

Es gäbe einen Weg

Über 40 Prozent der Freien kommen auf maximal 15 Euro pro Stunde. Der Mittelwert im Lokalen liegt laut Honorarreport bei 18,64 Euro. Noch mal zur Sicherheit: Hier ist von Brutto-Stundenhonoraren die Rede, das heißt Steuern, Kosten für Arbeitsmittel, Akquise- und Recherchezeit sowie Urlaubs- und Krankheitstage sind noch gar nicht drin. Freischreiber schätzt, dass netto rund ein Drittel der Bruttosumme als tatsächlicher Gewinn für die freien Journalist*innen übrig bleibt. Das ist unterirdisch. (Dis­claimer: Das taz-Grundhonorar liegt bei 49 Euro für einen Text von 3.000 Zeichen, für diese Kolumne gibt’s 80 Euro brutto.)

„Die Ergebnisse in diesem Jahr sind ein einziger Skandal. Dabei ist der Lokaljournalismus systemrelevant für die Demokratie. Unsere Städte und Gemeinden brauchen gut ausgebildete Journalist*innen, die kritisch über die Geschehnisse vor Ort berichten. Und sie brauchen Verleger*innen, die sich ihrer Verantwortung stellen“, so Freischreiber. Dem ist – leider – nichts hinzuzufügen. Oder doch: Was ist eigentlich mit der Politik? Sie muss jetzt handeln und dem Journalismus endlich den Weg in die Gemeinnützigkeit öffnen. Vor allem im Lokalen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Steffen Grimberg
Medienjournalist
2000-2012 Medienredakteur der taz, dann Redakteur bei "ZAPP" (NDR), Leiter des Grimme-Preises, 2016/17 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, ab 2018 freier Autor, u.a. beim MDR Medienportal MEDIEN360G. Seit Juni 2023 Leitung des KNA-Mediendienst. Schreibt jede Woche die Medienkolumne "Flimmern und rauschen"
Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Am meisten überrascht eigentlich, dass noch keine großen Plattformen wie Google / Facebook, oder Start-Ups den Markt aufmischen: Die Zeitungen zahlen Minilöhne, und verlangen von ihren Kunden 30 - 50 Euro Abogebühren im Monat. Für jedes Digitalabo! Wenn jemand Lokalzeitung und dazu eine nationale und eine internationale Zeitung abonniert, sind schnell über 100 Euro weg. Jeden Monat! 10 % vom Gehalt müssen einem die Zeitungen schon Wert sein?



    Optimale Bedingungen eigentlich für Geschäftsmodelle wie Spotify, AirBNB, Uber oder auch werbefinanzierte Angebote - bei denen die Verlage ausgelassen und die Journalisten direkt an den Einnahmen beteiligt werden.

  • Nur wegen des Lokalteils habe ich über Jahre ertragen, was aus dem Rest des Kölner Stadtanzeigers bis 2015 geworden ist, dann kündigte ich mein Abo; ob die Verleger nur unwillig oder sogar unfähig sind die Bedeutung ihrer Erzeugnisse zu begreifen: es ist zu spät darüber zu streiten. Die Verleger haben ihre Quellen selbst zerstört.



    Von da her hätte ich gerne mehr zu dem Thema gelesen, das mich viel versprechend mit seinem Titel lockte.



    Denn während die TAZ ihr Online-Angebot sehr ansprechend inszeniert erlebe ich bei den meisten Tagespostillen nur Scheitern.



    Vertieft doch mal das Thema. Vielleicht bekomme ich dann für 5€ extra den Lokalteil meiner Region via TAZ und muss nicht mehr mit bezahlen, was aus dem guten alten KStA mittlerweile geworden ist...

    • @Vidocq:

      "guten alten KStA" wann soll das gewesen sein? - ich wohne (gezwungenermaßen) seid '92 in der beschissenen Stadt, die Zeitungen hier (im wesentlichen Dumont-'wem-gehört die Stadt?'-Erzeugnisse) waren mindesten seither unter aller Sau. Einer Großstadt völlig unwürdige Käseblätter mit Kölsch-Nationalismus auf Befehl als Hauptinhalt (Karneval, FC, Kölsch - auch beim KSTA immer ganz vorne auf der Agenda), wenn du da nicht sofort und uneingeschränkt in höchsten Tönen dabei bist, wirste gnädigstenfalls als "Immi" ab- ausqualifiziert, da ist die Kölsche "Dolleranz" ganz schnell am Ende. Das äußerst unangenehme Köln-(Selbst-)Bild hat der Ksta schon immer kräftig mitgeprägt.