Präsidentschaftswahl in Polen: Altes Feindbild

Im Wahlkampf attackierte Polens Präsident Andrzej Duda den „Welt“-Korrespondenten Philipp Fritz. Mit dessen Berichterstattung hatte das wenig zu tun.

Klares Votum für Duda – auch schon bei den Jüngsten Foto: Czarek Sokolowski/AP

WARSCHAU taz | Es kommt ganz selten vor, dass ein ausländischer Journalist namentlich während eines Wahlkampfauftritts eines amtierenden Staatspräsidenten erwähnt wird. Widerfahren ist dies am vorletzten Freitag dem Polenkorrespondenten der Welt während einer Brandrede von Andrzej Duda in Boleslawiec (dt. Bunzlau) rund 40 Kilometer östlich von Görlitz.

Die polnische Kleinstadt ist vielen Deutschen wegen der wunderbaren volkstümlichen Keramik ein Begriff, doch der Präsidentschaftskandidat der nationalkonservativen Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) führte ganz anderes im Schilde: „Kürzlich konnte man in der Welt lesen, dass ihr Warschauer Korrespondent, Herr Fritz, geschrieben hat, Herr Trzaskowski wäre für Deutschland der bessere Präsident, weil er dagegen sei, dass Polen Reparationszahlungen annehmen, Schadenersatz verlangen würde“, sagte Duda.

Und holte dann weiter aus, indem er von einer persönlichen Attacke des polnischen Boulevardblattes Fakt erzählte: „Will der Axel-Springer-Konzern Einfluss auf die Präsidentenwahlen in Polen nehmen? Die Deutschen wollen den Präsidenten in Polen wählen? Das ist eine Gemeinheit, die ich nicht zulasse!“, gab sich Duda als Volkstribun.

Der linksliberale Herausforderer Trzaskowski sei die deutsche Option, das hätte die deutsche Presse selbst berichtet, wurde danach bis zu der laut Umfragen völlig offenen Stichwahl am Sonntag wie eine Endlosschleife in der mehrmals täglich ausgestrahlten „Tagesschau“ des Staatsfernsehens TVP berichtet. Dabei wurde Duda in Boleslawiec, aber auch ein Foto von Philipp Fritz gezeigt.

Unabhängigkeit der Medien wird seit jeher nicht geachtet

TVP war nach dem PiS-Sieg vom Herbst 2015 das erste Opfer von PiS-Chef Jaroslaw Kaczynskis Eroberungskurses sämtlicher Institutionen geworden. Dabei ging PiS vor wie alle früheren Regierungen. Keine hatte seit 1989 je die öffentlich-rechtliche Mission von TVP geachtet, doch niemand ging dabei so rabiat vor wie PiS.

Der Welt-Korrespondent hat das Pech, dass sein Familienname den Deutschen schlechthin bei den Polen wachruft: Ein „Fritz“ ist ein Deutscher. Viel gewichtiger ist indes die Tatsache, dass Axel Springers Tochtergesellschaft für Osteuropa, der mit dem Schweizer Medienhaus Ringier gegründete Verlag „Ringier-Axel-Springer“ (RAS) in Polen Fakt und Newsweek herausgibt. Auch das wichtigste regierungskritische Onlineportal onet.pl gehört RAS.

Dort liegt der Hund begraben – nicht in der von Duda zitierten, von Fritz neutral verfassten Analyse der Resultate der Ersten Wahlrunde. Und schon gar nicht in den Reparationsforderungen, die PiS kaum je gegen Berlin, aber oft gegen innen zur Mobilisierung der eigenen Stammwähler einsetzt.

Fakt allerdings hatte an jenem Freitag tatsächlich Duda mit einem obszönen Titelbild gepiesackt. Im Kern handelte der Frontaufmacher von der wenig transparenten Begnadigungspraxis des Präsidenten im Fall des Peinigers einer Familie, der jahrelang die damals 7 bis 11-jährigen Tochter sexuell missbraucht hatte. Duda erlaubte dem bereits aus dem Gefängnis entlassenen Mann, sich seiner Partnerin und der inzwischen volljährig gewordenen Tochter wieder zu nähern.

Der Fall könnte den Wahlausgang beeinflussen

Das Titelbild aber konnte auf den ersten Blick so interpretiert werden, als sei Duda der Pädophile. Dazu enthielt es eine auf polnisch vulgär klingende Überschrift. Der Fall enthält potenziell viel Sprengkraft. Denn da ein sehr knapper Wahlausgang erwartet wird, kann solch ein moralisch heikler Skandal Zünglein an der Waagschale werden, zumal in Polen gerade zwei Dokumentarfilme über Pädophilie Furore gemacht hatten.

In der Folge wetterte nun TVP gegen Fritz, der für eine Axel-Springer-Zeitung schreibe, und Deutschland allgemein. Das Ziel wird wohl ein Ablenkungsmanöver gewesen sein. Dafür sind alle Mittel recht, bis hin zur Einbestellung des Gesandten der deutschen Botschaft ins polnische Außenministerium. Der Vorwurf: Berlin würde sich in den polnischen Wahlkampf einmischen.

In Berlin selbst mag man sich ob der neusten Posse der Kaczynski-Minister heimlich amüsiert haben, dem Welt-Korrespondenten ist das Lachen indes vergangen: Er habe Tausende von Drohmails erhalten, berichten Berufskollegen, die gerade ein Solidaritätsschreiben für ihn vorbereiten.

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