Anzeigenboykott gegen Facebook: Ethische Dividende, die flüchtig ist

Die Umsätze der großen Techkonzerne brechen wegen der Coronakrise ein. Da fällt es leicht, Werbemittel für Facebook aus ideellen Gründen zu streichen.

Ein Plakat mit dem Facebook-Logo

Aktuell eher so Daumen runter: Facebooks Firmensitz in Menlo Park, Kalifornien Foto: Chris Tuite/imageSPACE/MediaPinch/imago

Die kommenden Quartalsberichte der börsennotierten Unternehmen werden voll von Hiobsbotschaften sein: Umsatzeinbußen, Produktionsrückgänge, Liquiditätsverluste. Auch für die bisher weitgehend verschonten großen Tech-Konzerne werden die Folgen sichtbar. Die durch die Coronakrise nötig gewordenen Einsparungen in den Marketingbudgets der Werbekundschaft werden ihre Spuren in den Bilanzen von Google und Facebook hinterlassen.

Beide generieren ihre Einnahmen zu annähernd 100 Prozent aus bezahlter Werbung. Wegen seines geradezu komplizenhaften Umgangs mit Desinformation und Hassrede steht Facebook schon länger in der Kritik von Bürgerrechtsorganisationen. Einer davon, der Anti-Defamation League, ist es nun gelungen, das Netzwerk mit einem Boykottaufruf an die Werbetreibenden empfindlich zu treffen.

Die Beteiligung internationaler Großkonzerne wie Coca-Cola oder Unilever verdirbt einerseits die Preise. Schließlich werden die Anzeigenplätze auf Facebook versteigert. Eine sinkende Nachfrage entzieht der Plattform so nicht nur die Budgets der Boykottfront, sondern verringert auch die Einnahmen durch jene, die weiterhin auf Facebook werben wollen. Anderseits hinterlässt das öffentliche Statement einen beträchtlichen politischen Flurschaden für Facebook-Gründer Mark Zuckerberg.

Seit Monaten versucht er, einen offenen Konflikt mit der Trump-Administration zu vermeiden, und betont, dass Facebook freie Rede, insbesondere für Politiker*innen, garantiere, und zwar ohne Einschränkungen. Jetzt werden doch erste zaghafte Moderationsschritte angekündigt, welche die Illusion von Neutralität zerstören. Face­book kann in dieser Auseinandersetzung nur verlieren, ökonomisch und ideell.

Die boykottierenden Konzerne hingegen mit ihrer eigenen eher zweifelhaften menschenrechtlichen Praxis, man denke nur an die blutige Geschichte von Coca-Cola mit Gewerkschaften in Südamerika, können sich hier mit geringem Aufwand auf die „richtige Seite der Geschichte“ stellen. Budgets, die wegen der Krise wahrscheinlich ohnehin zur Disposition standen, werden bis auf Weiteres eingespart.

Im Falle des Telekommunikationsriesen Verizon etwa handelt es sich um gut 20 Millionen Dollar jährlich aus einem 2,5-Milliar­den-Topf. Gleichzeitig gibt es eine ethische Dividende aus dem Boykott. Wenn sich die politische und wirtschaftliche Lage wieder beruhigt hat, wird man sich wohl mit Facebook über den Wiedereinstieg einigen. Der Umgang der Plattform mit Hassrede mag sich bis dahin gebessert haben, Garantien dafür gibt es jedoch nicht.

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Jahrgang 1976, Redakteur für die tageszeitung 2006-2020, unter anderem im Berlinteil, dem Onlineressort und bei taz zwei. Public key: https://pgp.mit.edu/pks/lookup?op=vindex&search=0xC1FF0214F07A5DF4

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