: Maisfelder zu Wildpflanzen
Pro Kilowattstunde ein Cent: Kunden von Energieversorgern zahlen etwas mehr für Bienenstrom, damit Landwirte insektenfreundliche Flächen anlegen
Bienenstrom – mit diesem Angebot wollen einige Energieversorger den Anbau von insektenfreundlichen Wildpflanzen fördern. Vorreiter sind seit 2018 die Stadtwerke Nürtingen in Baden-Württemberg. 600 Kunden zahlen derzeit pro Kilowattstunde einen Aufschlag von einem Cent. Das Geld kommt Landwirten auf der Schwäbischen Alb zugute, die als sogenannte Blühpaten statt wie früher Mais nun Wildpflanzen anbauen und dabei auf den Einsatz von Pestiziden verzichten.
Da der Energieertrag von Wildpflanzen bei der Verarbeitung in der Biogasanlage geringer ist als der von Mais – pro Hektar macht das je nach Boden und Weizenpreis 300 Euro und mehr aus –, bekommen die Landwirte als Anreiz für die Umstellung pro Hektar einen festgelegten Betrag von den Stadtwerken Nürtingen. Der Bienenstrom stammt nicht aus den Biogasanlagen der Blühpaten-Landwirte, sondern ist Ökostrom, der in alpinen Wasserkraftwerkern erzeugt wird. Anfangs wurden auf 14 Hektar einstiger Maisflächen von einem Dutzend Landwirten Wildpflanzen angebaut – für das kommende Jahr sind bereits Verträge für die Umwandlung von insgesamt 41 Hektar geschlossen.
Von der Umgestaltung profitieren Bienen und andere Fluginsekten, deren Aufkommen in den vergangenen Jahren drastisch zurückgegangen ist. „Besonders bei den Wildbienen ist ein positiver Effekt zu beobachten“, sagt Walter Haefeker, Ehrenpräsident des deutschen Berufs- und Erwerbsimkerverbandes.
Auf keinen Fall Kohle!
Bis 2024 wollen die Stadtwerke Lünen 100 Hektar Maisflächen in Blühflächen verwandeln, das entspricht rund 150 Fußballfeldern. Dafür sind 10.000 Kunden notwendig, die im Jahr als Förderer jeweils 12 Euro zahlen. Das Geld erhalten die Landwirte, die zum Umstieg bereit sind – sie müssen zusätzliche Flächen bewirtschaften, um so viel Biogas aus den Wildpflanzen zu erzeugen wie bisher aus Mais. Als Alternativen soll unter anderem Steinklee, Sonnenblumen, Buchweizen und Eibisch angebaut werden. Ein Modell, bei dem sich die Nachfrage noch in Grenzen hält: Ein halbes Jahr nach dem Start war erst die Umstellung von 6 Hektar finanziert.
Die Stromversorgung Osthannover (SVO) zahlt Landwirten in den Landkreisen Celle und Uelzen pro Hektar und Jahr 1.000 Euro, die an den Rändern von Maisfeldern eine Saatmischung mit 15 Sorten wie Klee, Kornblume, Koriander, Winterwicke und Dill ausbringen, damit sich dort Bienen und andere Insekten mit Nahrung versorgen können. Zur Finanzierung tragen Stromkunden bei, die den Tarif Blühstrom wählen und dafür Ökostrom geliefert bekommen. Diese Kunden zahlen etwas mehr als Verbraucher, die den SVO-Ökostromtarif gewählt haben. Von jeder Kilowattstunde wird ein Cent in einen Fonds zur Anlage von Blühflächen eingezahlt. Das Interesse an diesem Thema scheint bei Landwirten größer als bei Verbrauchern zu sein. „Leider können wir im Jahr 2020 keine neuen Landwirte mehr berücksichtigen, weil die vorhandenen Mittel erschöpft sind“, heißt es vonseiten der SVO. An den Maismonokulturen ändert sich durch den Blühstrom allerdings nichts.
„Blühstreifen zu fördern ist nicht verkehrt, doch solche Aktionen scheinen mir mehr marketingorientiert als bienendienlich zu sein“, sagt Michael Friedrich, Sprecher von Greenpeace Energy, eines der wenigen Unternehmen, das ausschließlich Strom aus erneuerbaren Energien anbietet. Nach seinen Worten besteht der wirksamste Bienenschutz in der Förderung von CO2-freiem Strom. „Wir investieren in neue Anlagen wie Windparks. Wer dagegen Kohlestrom verkauft, vergrößert die Klimaprobleme.“
Die Stadtwerke Nürtingen und Lünen, die SVO und fast alle anderen Energieanbieter haben auch Strom aus nicht erneuerbaren Quellen im Angebot.
Joachim Göres
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