taz🐾thema
: weltbienentag

die verlagsseiten der taz

Die Staatenlenker

Imkern als Beruf: Dabei sind Geschicklichkeit, handwerkliches Können und gute Beobachtungsgabe gefragt. Ökologische Unwägbarkeiten bringen aber Risiken mit sich

Bundesweit gibt es rund 200 Berufs- und 4.000 Nebenerwerbsimkereien Foto: Wavebreakmedia/mauritius images

Von Joachim Göres

Janik Osterloh ist mit Bienen groß geworden: bei seinem Vater dem Hobbyimker im niedersächsischen Großmoor. Janik hat ihm bereits als Kind viel geholfen – doch als er die Realschule beendete, war für ihn klar: „Ich kann mir beruflich viel vorstellen, aber nichts mit Bienen.“ Er wollte sein Hobby Computer zum Beruf machen und stellte in der Berufsschule fest: „Acht Stunden am Computer zu sitzen ist nichts für mich.“ Es folgen Praktika im Kindergarten, in einer Tischlerei, im Einzelhandel – bis Osterloh merkte, was er vermisst: „Die Natur hat mir gefehlt. Mit den Bienen in der Natur zu sein war ich gewohnt. Erst als Erwachsener habe ich das zu schätzen gelernt.“

Der heute 23-Jährige entschied sich für eine dreijährige Ausbildung zum Tierwirt, Fachrichtung Imkerei, beim Institut für Bienenkunde im nahe gelegenen Celle. „Im Frühjahr schaut man sich die Bienenvölker an, beurteilt ihre Stärken und Schwächen, behandelt sie, wandert mit ihnen zu Rapsfeldern, wo die Bienen bis zur Rapsernte bleiben“, sagt Osterloh und fügt hinzu: „In der Ausbildung spielten auch die Königinnenzucht und die Honigverarbeitung eine große Rolle.“ Grundsätzlich gefragt sind Geschicklichkeit (um den Honig zu schleudern), handwerkliches Können (um die Bienenkörbe zu reparieren) und eine gute Beobachtungsgabe (um Krankheiten bei Bienen zu erkennen).

Immer von Januar bis März kommen die Auszubildenden aus ganz Deutschland ans Institut für Bienenkunde nach Celle, wo sich die einzige Berufsschule für angehende Imker befindet. Ein bunter Haufen. „Der Älteste bei uns war 51, hat Jahrzehnte in Berlin als Streetworker gearbeitet und etwas Ruhigeres gesucht“, sagt Osterloh. Da sitzen junge Leute ohne Schulabschluss neben Akademikern in den Schulbänken, mehr Männer als Frauen. Im Unterricht geht es um Themen wie artgerechte Haltung, Versorgung, Pflege und Transport der Bienenvölker, Völkervermehrung, Königinnenzucht und Vererbung sowie das Herstellen marktgerechter Erzeugnisse. Auch auf die Fächer Betriebsorganisation und BWL/VWL wird Wert gelegt, wollen die jährlich rund 20 Absolventen im Gegensatz zu den vielen Hobbyimkern doch nach ihrer Ausbildung von der Imkerei leben und mehr als die monatlich 600 Euro verdienen, die während der Ausbildung gezahlt werden.

Osterloh hat 2019 die Abschlussprüfungen bestanden, 65 Völker von seinem Vater gekauft und seine eigene Imkerei gegründet. Die bis zu 50 Kilo schweren Bienenkörbe hat er in der näheren Umgebung aufgestellt, ein Freund hilft ihm manchmal bei der Arbeit. Osterloh beliefert Hofläden und zwei Supermärkte mit seinem Honig. 65 Völker reichten auf Dauer nicht aus, um von diesem Beruf leben zu können – sein Ziel sind 300 Bienenvölker und der Verkauf des Honigs an Großabnehmer. Die meisten aus seiner Berufsschulklasse sind nach dem Abschluss als Gesellen in ihrem Ausbildungsbetrieb geblieben oder erkunden als Imker die Welt und arbeiten zeitweise in Kanada oder Neuseeland. Nur Osterloh hat sich selbstständig gemacht. „Ich profitiere davon, dass ich die Maschinen meines Vaters mitbenutzen kann. Die notwendige Ausrüstung kostet sonst viel Geld“, sagt er.

Klaus Ahrens wird konkreter. Der Vizepräsident des Deutschen Berufs und Erwerbs Imker Bundes (DBIB) schätzt, dass man mindestens 100.000 Euro in Bienenvölker und Gerätschaften investieren muss, um die Grundlage für eine Erwerbsimkerei zu schaffen. „Aber keine Bank wird einem dieses Geld geben, weil man dort nicht einschätzen kann, ob es sich um eine lohnende Investition handelt“, sagt Ahrens.

Dabei läuft das Geschäft mit dem Honig gut, zur Freude der bundesweit rund 200 Berufs- und 4.000 Nebenerwerbsimkereien. „Durch Corona steigt die Nachfrage nach regionalen Produkten wie Honig weiter“, sagt der Imkermeister und verweist darauf, dass Deutschland beim Honigverzehr weltweit führend ist und die Preise sich seit der Wende fast verdoppelt haben.

Zwei Probleme für Imker: zu wenige Blühflächen und zu viele Pestizide

Ahrens, der mit 200 Bienenvölker am Rande der Lüneburger Heide eine Vollerwerbsimkerei betreibt, verschweigt nicht die Risiken: „Als ich vor dreißig Jahren ausgebildet wurde, galt man als schlechter Imker, wenn man 5 Prozent seiner Bienen verloren hat. Heute gilt ein Verlust von 10 Prozent als normal.“ In diesem Winter sind nach Angaben des Deutschen Imkerbundes 15 Prozent der Bienenvölker in Deutschland gestorben, der finanzielle Schaden liegt bei rund 30 Millionen Euro. Die sich ausbreitende Varroamilbe ist laut Ahrens nur ein Grund für diese Entwicklung: „Es fehlen Blühflächen, und es werden zu viele Pestizide in der Landwirtschaft eingesetzt, die die Bienen beeinträchtigen.“

Aus diesem Grund setzt sich der DBIB in Niedersachsen für ein Volksbegehren für mehr Artenvielfalt ein. Vorbild ist die Initiative „Rettet die Bienen“, bei der vor einem Jahr in Bayern 1,8 Millionen Unterschriften für einen besseren Insektenschutz gesammelt wurden. Auf EU-Ebene läuft eine Unterschriftensammlung für ein Volksbegehren zum Artenschutz unter dem Motto „Bienen und Bauern retten“.

Osterloh weiß um die Risiken und ist sich dennoch sicher: „Für mich gibt es keinen schöneren Beruf. Ich bin in der freien Natur, genieße die Ruhe und finde Bienen faszinierend. Jedes Volk ist anders, man bekommt einen Blick für die Unterschiede.“