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Debatte um die Corona-AppSpahn wechselt ins dezentrale Lager

Die Bundesregierung beugt sich im Streit um das Tracing von Corona-Infizierten den Argumenten der Datenschützer. Epidemiologen sollen aber noch mitlesen.

Die Bundesregierung bevorzugt nun doch eine dezentrale Speicherung der Daten Foto: Hannibal Hanschke/reuters

Berlin dpa | Der Streit um die geplante Corona-Warn-App in Deutschland scheint entschieden. Die Bundesregierung bevorzugt nun doch eine dezentrale Speicherung der Daten, wie Kanzleramtschef Helge Braun und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (beide CDU) am Sonntag bestätigten. Diese Lösung ist nach Einschätzung von Experten besser für den Datenschutz als ein zentraler Abgleich der Daten. Zudem wird damit der Weg frei, die Apps mit den Smartphone-Systemen von Apple und Google zu verknüpfen. Das dürfte die Apps effizienter und sicherer machen.

Die Corona-Apps sollen helfen, die Ansteckungen nachzuverfolgen, wenn Ausgehbeschränkungen gelockert werden. Sie sollen erfassen, welche Smartphones einander nahegekommen sind – und Nutzer warnen, wenn sich später herausstellt, dass sie sich neben infizierten Personen aufgehalten hatten.

„Wir verfolgen als Bundesregierung bei der Entwicklung einer Tracing-App einen Ansatz, der auf Freiwilligkeit beruht, datenschutzkonform ist und ein hohes Maß an IT-Sicherheit gewährleistet“, betonten Braun und Spahn. Die Regierung habe das Ziel, dass angesichts der bereits erfolgenden Öffnungen nach den umfangreichen Kontaktbeschränkungen sehr bald die Tracing-App einsatzbereit sei und eine breite Akzeptanz finde.

Noch vor wenigen Tagen sah es danach aus, dass die Bundesregierung eher einen zentralisierten Ansatz bevorzugen könnte. „Bei einem zentralen Server müssen Sie demjenigen vertrauen, der ihn pflegt, also in diesem Fall dann möglicherweise einer staatlichen Stelle. Bei einem dezentralen System müssen Sie Apple und Google vertrauen, die das dann pflegen“, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer am Freitag. Der zentralisierte Ansatz war zugleich von Forschern und IT-Experten kritisiert worden. Noch am Freitag hatten der Chaos Computer Club (CCC), und die Stiftung Datenschutz gewarnt, dass der „geringe Datenschutz eines zentralen Ansatzes“ das Vertrauen in eine darauf beruhende App untergraben würde.

Austausch von Kryptoschlüsseln

Beim Konzept von Apple und Google soll die Entfernung zwischen den Nutzern anhand der Bluetooth-Signalstärke gemessen werden. Die Smartphones sollen zudem per Bluetooth Krypto-Schlüssel austauschen, die sich alle 10 bis 20 Minuten ändern. Damit soll man Begegnungen nachvollziehen können, ohne dass ein Einzelner nachverfolgbar wäre.

Ein Kernpunkt des Konzepts von Apple und Google ist, dass die Feststellung, ob man sich in der Nähe eines infizierten Nutzers aufhielt, ausschließlich auf den Smartphones erfolgen soll. Sie laden sich dafür mindestens einmal am Tag Listen von Krypto-Schlüsseln herunter, die infizierten Personen gehören. Dabei bleibt deren Identität für Apple, Google und die anderen App-Nutzer unbekannt.

Die Behörden können Grenzwerte für Signalstärke und die Zeit, die Geräte nebeneinander verbringen, festlegen. Das hieße: Google und Apple liefern die technischen Werkzeuge, aber die Gesundheitsbehörden entscheiden, wann sie von einer Ansteckungsgefahr ausgehen.

Von Google kommt das dominierende Smartphone-System Android; Apple entwickelt die iOS-Software seiner iPhones. Damit sind die US-Konzerne als einzige in der Position, die nötigen Schnittstellen direkt in die Betriebssysteme einzubauen. Gleichzeitig kann es schwierig sein, andere Konzepte ohne ihre Kooperation umzusetzen. So forderte Frankreich von Apple, aus Datenschutzgründen eingeführte Einschränkungen für den Bluetooth-Betrieb im Hintergrund auszuhebeln, damit die von der Regierung bevorzugte Corona-App funktioniert.

Die Nutzung der App durch möglichst große Teile der Bevölkerung sei die Grundlage ihres Erfolges, erklärten Spahn und Braun am Sonntag. „Um dieses Ziel zu erreichen, setzt die Bundesregierung auf eine dezentrale Softwarearchitektur, die die in Kürze zur Verfügung stehenden Programmierschnittstellen der wesentlichen Anbieter von mobilen Betriebssystemen nutzt und gleichzeitig die epidemiologische Qualitätssicherung bestmöglich integriert.“ In der App solle auch die Möglichkeit integriert werden, freiwillig in pseudonymisierter Form Daten zur epidemiologischen Forschung und Qualitätssicherung an das Robert-Koch-Institut zu übermitteln.

Die Grünen begrüßten die Regierungsentscheidung. Fraktionsvize Konstantin von Notz sprach im Handelsblatt von einem „Einlenken in der letzten Kurve“. Die Linke-Netzexpertin Anke Domscheit-Berg sagte, sie sei positiv überrascht. “Ich hätte nicht gedacht, dass sich mein Wunsch so schnell erfüllt“, schrieb sie auf Twitter unter dem Hashtag #DankeMerkel.

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12 Kommentare

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  • WO BLEIBT MEINE CORONA-APP?



    Ich wäre bereit, auch 2 Wochen Quarantäne auf mich zu nehmen, falls Corona mich erwischt, denn dann werde ich auch getestet und danach kann ich unbeschwert leben wie in früheren Zeiten.



    Wir sollten sehr gut abwägen, welche Vorteile das hat. Also, Freiwillige vor!



    In den evtl. 14 Tagen Isolation geht die Welt nicht unter.



    Jetzt tut nicht so, als wenn unsere Geheimdienste nicht längst Eure Daten hätten.



    Die sollten wir übrigens abschaffen, weil sie sich, gerade in unserem Land, der demokratischen Kontrolle entziehen. Tauschen wir doch einfach:



    Corona-App, dafür aber endlich DIREKTE DEMOKRATIE! Übernehmen wir selbst die Kontrolle!



    Neben undemokratischen Geheimdiensten verschwindet dann auch Corona.

  • Das es ein Internet gibt scheint für viele ja Neuland zu sein :-)

    Google, Amazon und co. leiten jede Anfrage, jede Ergebnisauswahl über ihre Server. Und auch die taz hat Google Analytics in seine Seiten implementiert. Letzteres weiß jeder Autor der taz zu solchen Themen.

    Die Kritik an der App, die von Anfang an Datenschutz konzeptionell mit einbezog, ist irgendwie haltlos verschwörungstheoretisch überzogen.

  • Herrliches Foto! Ist es ein aktuelles?

  • Zentral, dezentral ... ändert nicht viel.

    Statt fragwürdiger Apps, sollte man auf die Virologen hören, die fast duech die Bank fordern, das "Hochfahren" wesentlich langsamer zu handeln.

    Bzgl. App ist meine Antwort kalr: Mein Smartphone hat nun ein Nokia 216 ersetzt ... Ihr könnt ja mal ne App dafür entwickeln ;-)

  • Herr Spahn will immer häufiger mit dem Kopf durch die Wand und macht im Rahmen seiner häufigen Gehirnerschütterungen eine immer schlechtere Politik, angefangen von der Masern Impfpflicht ohne entsprechenden Impfstoff (Einzelimpfstoff in Dt nicht erhältlich, sondern nur MMR) bis hin zur Misachtung des Datenschutzes bei Corona-APP.



     

    Kommentar gekürzt. Bitte bleiben Sie sachlich.

    Die Moderation

    • @wirklich wahr?:

      Nicht zu vergessen, dass er letztes Jahr Patientendaten ohne Einverständnis sammeln wollte.

  • Naja, bei einem zentralen Ansatz müsste man Apple, Google und unseren Behörden vertrauen. Bei einem dezentralen Ansatz nur Apple und Google. Und selbst da ist technisch kein Vertrauen nötig, weil die Daten rein lokal auf den Geräten gespeichert werden.

    Das die Sturheit von Spahn, auf einen zentralen Ansatz zu drängen, ein großer Fehler war, hat er aber offenbar selber eingesehen, denn Vertrauensverlust und damit deutlich weniger Leute, die die App installieren, hilft letztlich niemandem.

    Und: Wenn Apple und Google gegen ihrer Aussagen Daten abgreifen wollen, dann könnten die das so oder so. Wenn man den AGBs und Aussagen dieser Firmen nicht glaubt, dann sollte man schlicht kein Smartphone benutzen, alles andere wäre Augenwischerei.

  • Fehlt nur noch die open source von Google und Apple, damit es z.B. der CCC kontrollieren kann. Ob sie das machen oder mensch nicht wirklich weiß, was sie mit den Daten machen, wird entscheidend sein für die Akzeptanz. DANN könnte es ja womöglich hilfreich sein.

    • @Jörg Kahl:

      Und auch wenn es der CCC kontrollieren würde, was für mich inzwischen auch kein positiver Punkt mehr wäre, solange es keinen staatlichen Zwang für Tracing-API gibt, werde ich es nicht installieren, wenn es den gibt, wird das Smartphone Zuhause gelassen.

  • Nein, Herr Spahn -- das Vertrauen bei mir haben Sie bereits verspielt. Mein Handy (kein Smartphone, übrigens) bleibt zuhause.

    • @tomás zerolo:

      Das ist generell die beste Empfehlung bzgl. Datenschutz!

      Wenn man das Handy nicht benötigt, zu Hause lassen. Wenn es vielleicht doch benötigt, wenigstens ausgeschaltet lassen. Und Bluetooth sowieso immer aus!

      Angesichts der aktuellen Diskussionen bin ich froh, mein Handy schon lange verschenkt zu haben.

      • @Saber Baser:

        Ich, Ich, Ich! Generell die beste Empfehlung für alles! In dieser Lage besonders!