Hotels für Obdachlose während Pandemie: Hochrisikogruppe Straße

Die Hamburger Linke fordert den Senat auf, 300 Hotelzimmer für Obdachlose zu mieten. Die Sozialbehörde will nicht, weil die Versorgung schwierig sei.

Die Elbphilharmonie beleuchtet leere Hotelzimmer in Herzform

Ein Herz für Obdachlose – oder für leere Hotelzimmer? Das Elphi-Hotel steht auch leer Foto: dpa

HAMBURG taz | Viele Obdachlose gehören zur Hochrisikogruppe der Covid19-Infektion, können sich aber auf der Straße besonders schlecht schützen. Die Sozialbehörde hat deshalb das Winternotprogramm verlängert, die Belegung auf zwei bis drei Personen pro Zimmer entzerrt und einen zusätzlichen Standort für obdachlose Frauen eingerichtet.

„Das reicht nicht“, meint die sozialpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Stephanie Rose, und bringt heute einen Antrag in die Bürgerschaft ein. Der Senat solle 300 Zimmer in Hotels anmieten und Obdachlosen zur Verfügung stellen, fordert die Fraktion.

Die Zimmer sollen einzeln belegt werden, ihre Personalien sollen die Nutzer*innen höchstens freiwillig abgeben. Denn unter den Obdachlosen sind viele Papierlose und EU-Ausländer*innen, die keinen Anspruch auf einen Platz im Winternotprogramm haben.

Die Initiative „Open the Hotels“ hat schon vor zwei Wochen einen entsprechenden Plan vorgestellt und ein Hotel ausfindig gemacht, das seine Zimmer zu diesem Zweck öffnen würde. Schließlich fehlen den Hotels auch die Einnahmen aus dem Tourismus. Und das Straßenmagazin Hinz&Kunzt hat zusammen mit der Diakonie und finanziert von der Reemtsma Zigarettenfabrik eine Hotelunterbringung für bis zu 300 Obdachlose auf den Weg gebracht.

Meli C., Café Exil

„Dieses Argument ist scheinheilig! Die Stadt bringt immer wieder Geflüchtete in Hotels unter“

Aber die Sozialbehörde, die für die Finanzierung der Übernachtungen zuständig wäre, lehnt die Unterbringung in Hotels ab. „Es ist die Aufgabe der Stadt, eine Notfallversorgung zu gewährleisten“, sagt der Sprecher der Sozialbehörde, Martin Helf­rich. Gegen Einzel-Unterbringungen spreche, dass Betreuung und medizinische Versorgung an dezentralen Orten nicht zu gewährleisten seien.

„Uns ist wichtig, dass Menschen eine langfristige Perspektive geboten werden kann und zu diesem Zweck eine Beratung zur Verfügung steht“, sagt Helfrich. „Deswegen bietet die Stadt die Notunterkünfte an zentralen Standorten an, wo wir beides gewährleisten können.“ Im Winternotprogramm erziele man die größten Erfolge erst nach Wochen, wenn die Nutzer*innen Vertrauen zu den Sozialarbeiter*innen gefasst hätten.

Das Zimmer ist schnell weg

„Dieses Argument ist scheinheilig!“, sagt Meli C. von der Beratungsstelle für Geflüchtete Café Exil, die Teil der Initiative „Open the Hotels“ ist. Erstens bringe die Stadt schon seit Jahren Geflüchtete immer wieder in Hotels unter. Zweitens seien Unterbringungen, abgesehen vom Abschiebezentrum in Rahlstedt, immer dezentral. „Nicht alle Obdachlosen brauchen eine sozialpsychologische Betreuung“, sagt C.

Viele Migrant*innen hätten als Beschäftigte des informellen Sektors ihren Job verloren und keinen Anspruch auf Ersatzleistungen. Wer in einem informellen Mietverhältnis lebe, sei sein Zimmer schnell los, wenn die Miete nicht reinkomme. Eine Therapie brauche man deshalb nicht.

Auch Stephanie Rose von der Linksfraktion nimmt der Sozialbehörde das Argument mit der fehlenden Beratung nicht ab. „Das ist totaler Quatsch“, sagt sie. Dahinter stünden wohl finanzielle Gründe. Sie verweist auf Berlin. Die Stadt hat dort 200 Betten in einer Jugendherberge angemietet.

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