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Pfarrer über Klimaproteste„Raus aus den Komfortzonen“

Thomas Zeitler ist Pfarrer und aktiv bei Extinction Rebellion. Wie das passt – und warum im Glauben Transformationsenergie liegt.

Aktivismus mit höheren Wesen: Prostet von Extinction Rebellion während der Berlinale Foto: Michael Kappeler/dpa
Celine Weimar-Dittmar
Interview von Celine Weimar-Dittmar

taz: Herr Zeitler, Sie kommen gerade von einem Workshop der Klimaaktivisten von Extinction Rebellion in Berlin, den Sie geleitet haben. Was hat die Kirche mit der Klimakrise und Aktivismus zu tun?

Thomas Zeitler: Beide Kirchen – die evangelische Kirche, in der ich bin, und auch die katholische – haben das Klimathema in den letzten 20, 30 Jahren immer hochgehalten. Jede Kirche hat einen Klimaschutzplan. Das Thema fließt auch in Gottesdienste ein. Aber es gibt in Deutschland im Moment keine starke Bewegung. Das war in den 80er Jahren anders, als es eine Umweltbewegung in den Kirchen gab, in der ganz viele Leute aktiv waren.

Bild: privat
Im Interview: Thomas Zeitler

Der 47-jährige Thomas Zeitler ist Pfarrer der evangelischen Lorenzer-Laden-Gemeinde und Kulturpfarrer an der Egidienkirche in Nürnberg. Er hat sein Auto vor 20 Jahren aufgegeben, fährt Fahrrad und ist Mitglied der Initiative Solidarische Landwirtschaft, sagt aber auch: „Wir müssen nicht sündlos leben.“ Seit er bei Freunden in England die Klimaprotestgruppe Extinction Rebellion kennen gelernt hat, engagiert er sich dort.

In anderen Ländern ist das anders?

Ja, zum Beispiel in Großbritannien: Dort waren die christlichen Klimagruppen, „Christian Climate Action“, schon vor Extinction Rebellion aktiv und haben das Thema mit gepusht. Sie haben die Bewegung mit stark gemacht. Warum hier nicht auch, fragen wir uns. Wir schauen, ob wir aktivistische Christ*innen finden und uns dann besser organisieren können.

Warum sind Sie ausgerechnet bei Extinction Rebellion aktiv?

Ich finde bei Extinction Rebellion den zivilen Ungehorsam wichtig. Weil er zeigt, dass es uns ernst ist. Dass wir wirklich aus unseren Komfortzonen rausmüssen. Das machen sie derzeit besser als etwa Christians for Future, die eher eine Unterstützungsgruppe für die Fridays for Future ist. Mit FFF machen wir auch viel hier vor Ort. Aber ich bin selbst jetzt nicht jugendlich und finde XR am klarsten, wenn es darum geht zu zeigen, was eigentlich auf einer gesamtgesellschaftlichen Ebene möglich wäre.

Wie passt ziviler Ungehorsam zur Kirche? Ist die nicht eher traditionell und konform?

Kirche ist immer beides gewesen: Christus hat die Händler aus dem Tempel vertrieben, das war eine ungeheuerliche Aktion. Die frühen Christen waren Kaiserkultverweigerer und Kriegskultverweigerer, das war auch ziviler Ungehorsam. Das ist in die Kirche fest eingeschrieben. Und es gibt natürlich auch Figuren wie Martin Luther King, Dorothy Day, die später neue Formen von Ungehorsam vorgelebt haben, die auch in der Kirche gelebt und respektiert werden. Parallel dazu entwickelte sich die Kirche aber natürlich auch zum Staatsträger. An die kritischen Strömungen kann man trotzdem jederzeit anknüpfen.

Trägt die Kirche dann nicht sogar eine gewisse Verantwortung, dass ein solcher Aktivismus wieder mehr ins Zentrum des Glaubens rückt?

Genau! Ich weiß natürlich, wie der Apparat funktioniert. Es fällt Kirchenleitungen schwer, sich radikal zu positionieren. Vielleicht sind es die Basisgruppen, die sich zeigen müssen. Ich bin schon froh, dass wir eine Kirchenleitung haben, die die Klimakrise ernst nimmt. Der Bischof kritisiert ja auch die Klimapolitik der Bundesregierung. Aber Sie können eine Bewegung nicht von oben erzeugen. Das ist dann unsere Rolle. Ich würde mir mehr Stimmen innerhalb der Kirche wünschen, aber ich bin geduldig.

Was sollte die Kirche als Organisation und als Gemeinschaft in Sachen Klimaschutz noch tun?

Eine Aufgabe sowohl für die Organisation als auch für einzelne Christen ist es, selber eine klimaneutrale Lebensweise einzuüben. Das finde ich wirklich wichtig. Es gibt viele Fastenaktionen, die Leuten Mut machen, den Lebensstil zu ändern – vom Verzicht auf Fleisch bis dahin, nicht mehr fliegen. Die Kirche ist ja ein wichtiger Multiplikator, sie erreicht viele Leute und könnte diese dazu ermutigen, anders zu leben. Ein anderer Punkt ist: Die Kirche sollte Seelsorge in dem Themenfeld betreiben. Denn die Klimakrise ist ja bei vielen Menschen verbunden mit Verzweiflung, Depressionen, Burnout, einfach, weil die Situation so bedrohlich ist. Kirche könnte der Ort sein, wo wir auf die Situation blicken, ohne die Hoffnung zu verlieren.

Wie soll die Kirche in der Klimakrise zu einem Ort der Hoffnung werden?

Es ist eine große Herausforderung, zu entdecken, wo im Glauben die Transformationsengergie liegt. Oft sind wir in der Kirche eher damit unterwegs, dass wir die „Schöpfung bewahren“ müssen. Das ist Umweltschutzlogik der 80er Jahre. Ich glaube, die greift im Moment nicht mehr. Es geht um eine radikale Veränderung unserer Lebensweise. Bevor Corona kam, hatten die Berliner am Karfreitag eine Klimaprozession geplant. Das fand ich echt spannend, weil genau das Ostern, also Glauben, und das Klimathema miteinander verbindet.

Heißt das, Kirche sollte politischer sein?

Kirche ist immer politisch. Wenn sie glaubt, sie sei unpolitisch, dann will ich sehen, was sie ist. Da muss man sich nichts vormachen. Sie ist noch immer eine einflussreiche Organisation. Entweder setzt sie sich ausdrücklich für sinnvolle Ziele ein. Oder sie segnet den Status Quo ab – und der ist im Moment eher gefährlich.

Kommen in der Klimakrise eher mehr Menschen zum Glauben oder verlässt er sie?

Ich denke, wenn die Fragestellungen so in die Tiefe gehen, so existenziell werden, dann werden die Menschen auf jeden Fall intensiver debattieren, auch religiös. Ob jetzt mehr Leute in die Kirche oder zum Christentum finden, ist zweitrangig. Aber wir alle fangen an, grundsätzlichere Fragen zu stellen.

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9 Kommentare

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  • „Christus hat die Händler aus dem Tempel vertrieben, das war eine ungeheuerliche Aktion.“



    es ging ihm dabei möglicherweise nicht nur darum kommerz und religion zu trennen sondern auch um den tierschutz den die händler verkauften tiere .in manchen verfilmungen der Jesus-geschichte sieht man wie tauben befreit werden und davonfliegen .unter den ersten christ*inn*en und insbesondere unter den christlichen gnostikerinnen und gnostikern gab es viele vegetarier*innen

    „ Die frühen Christen waren Kaiserkultverweigerer und Kriegskultverweigerer, das war auch ziviler Ungehorsam. „



    sie haben aber nicht die institution des kaisertums und das gebet für die kaiser*innen abgelehnt sondern nur die verehrung der kaiser als götter.im hinblick auf steuern hat Jesus gesagt:“gebt dem kaiser was des kaisers ist“



    das würde auch für die kohlendioxidsteuern gelten,die meiner meinung nach weltweit einheitlich und in progressiver abhängigkeit von der höhe der individuellen emissionen und den einkommen ihrer verursacher*innen erhoben werden müssen.die eine welt sollte ein globaler ökosozial(istisch)er und demokratischer bundesstaat im rahmen einer konstitutionellen universalmonarchie mit vom papst gesalbten kaiser*innen werden.dann könnten die globalen öffentlichen güter besser und solidarischer geschützt werden..

    „Wir müssen nicht sündlos leben.“



    ultra posse nemo obligatur-zum unmöglichen gibt es keine pflicht-und da menschen nicht ohne sünde sein und leben können sind sie auch nicht dazu verpflichtet.zum möglichen aber durchaus und zu den bösen werken von denen wir menschen lassen können und sollen gehören sowohl das fleisch(fr)essen als auch der krieg.wie Leo Tolstoi der sowohl ein anarchist pazifist und sozialist als auch ein christ war prophetisch vorhergesagt hat wird es keine schlachtfelder mehr geben wenn es keine schlachthöfe mehr gibt.



    eine möglichst gewaltfreie ernährung trägt auch zum klimaschutz viel bei und sollte daher von allen staaten gefördert werden

  • Liebe LeserkommentarschreiberInnen,



    ihr solltet den Fakten etwas mehr in die Augen schauen, bevor ihr so die Kirchen und den christlichen Glauben pauschal "verdammt" . Welche gesellschaftliche Gruppe hat ähnliches bewirkt?



    Einige Beispiele bzw. Fakten zur Anschauung:



    1. Der Begriff Umweltschutz ist vom Ursprung her im christlichen Umfeld entstanden.



    2. Den langen Atem bei der Friedensbewegung haben seit den 50'er Jahre christliche Gruppen.



    3. Ohne die massive Unterstützung der Opposition durch die christlichen Kirchen, wäre die Wende in der DDR nicht so verlaufen.



    4. Christliche Initiativen wie Brot für die Welt sind ein zentraler Pfeiler der Gerechtigkeitsbewegung weltweit.



    5. Die Hospizbewegung wird zu großen Teilen aus dem christlichen Bereich getragen.



    6.........

    • @Fridolin:

      Zu Punkt 1.



      "Macht euch die Erde untertan".



      1. Mosebuch – Kapitel 1, Vers 28.

      Ob das als Auftrag zum Umweltschutz verstanden wurde, da hab ich so meine Zweifel.

  • Typischer Rebell. Unkündbar mit recht gutem Lohn für die Arbeit im Weinberg des Herrn.

  • Wir haben heute in unserer WG mit dem Wett-Fasten begonnen. Wer am längsten durchhält, muss die anderen anschließend zum Steak einladen.

  • Die christliche Kirche hat Naturverbundenheit immer bekämpft, denn Naturreligionen waren "Konkurrenz". Zudem wurde ora et labora blinder Gehorsam gegenüber den Feudalherren gepredigt. Jesus wurde ans Kreuz genagelt, seine Jünger haben ihn nicht heruntergeholt. Kirche war immer Teil des Problems. Oft wurden systemkritische Bewegungen unterwandert, um sie dann von innen zu zerstören. Verlogenheit ist zwangsläufig Teil des Glaubens an ein allmächtiges Fantasiewesen, das offensichtlich nicht existiert. Das größte Problem ist aber der christliche Glaube an die Apokalypse, die von streng gläubigen Christen bewusst angestrebt wird, weil dann das Fantasiewesen kommt. Es wäre also sinnvoll, wenn Christen sich als allererstes mit der Schädlichkeit ihres Glaubens auseinandersetzen würden, für den sie Werbung machen.

    • @dudeldudel:

      meine religion erlaubt es mir auch die göttinnen und götter und die heiligen und gerechten anderer religionen zu verehren.darum fühle Ich mich auch dazu verpflichtet andere religionen gegen unrichtige kritik zu verteidigen und einer falschen religionskritik zu widersprechen.



      Sie schreiben:



      1."Verlogenheit ist zwangsläufig Teil des Glaubens an ein allmächtiges Fantasiewesen, das offensichtlich nicht existiert. "



      ist es nicht denn die existenz oder nichtexistenz eben dieses höchsten wesens lässt sich mit der natürlichen menschlichen vernunft weder beweisen noch widerlegen.sie ist kein gegenstand der wissenschaft.der von Ihnen behauptete gegensatz von glauben und vernunft existiert nicht oder ist kein zwangsläufiger und unvermeidlicher



      2."Das größte Problem ist aber der christliche Glaube an die Apokalypse, die von streng gläubigen Christen bewusst angestrebt wird, weil dann das Fantasiewesen kommt."



      es gibt zwar solche sogenannten christen aber sie sind nicht rechtgläubig und gehören der kirche nicht an und was sie lehren widerspricht der bibel:



      Paulus schreibt im dritten kapitel des Briefes an die römer:



      "Wenn aber unsere Ungerechtigkeit G_ttes Gerechtigkeit beweist, was sollen wir sagen? Ist G_tt etwa ungerecht, wenn er das Zorngericht verhängt? (Ich rede nach Menschenweise.) Das sei ferne! Wie könnte G_tt sonst die Welt richten? Wenn nämlich die Wahrhaftigkeit G_ttes durch meine Lüge überströmender wird zu seinem Ruhm, weshalb werde ich dann noch als Sünder gerichtet? Müßte man dann nicht so [reden], wie wir verleumdet werden und wie etliche behaupten, daß wir sagen: »Laßt uns Böses tun, damit Gutes daraus komme«? Ihre Verurteilung ist gerecht! "



      im übrigen heisst es im hinblick auf die apokalypse in der bibel dass kein mensch deren zeitpunkt kennt.wer versucht diesen zu berechnen ist also ein irrlehrer.

  • Richtig, es geht um eine radikale Veränderung unserer Lebensweise. Dazu tragen die Kirchen nicht bei. Wenn es einzelne Stimmen gibt wie diese, die etwas ändern wollen, sind sie in der falschen Organisation. Es ist demnach richtig, nicht etwas anderes zu wollen, sondern etwas anders zu machen. Das möglichst konsequent pro, nicht radikal gegen. Für konsequent pro ist Kirche nicht zu haben, gegen radikal sind sie sowieso. Also, was wollen sie noch in dieser Organisation?

    • @Picard:

      Sowohl die Evangelische, als auch die katholische Kirche, sind in Hamburg in KLimabündnissen drin. Es werden von denen in Hamburg sowohl FFF als auch andere organisationen aktiv, und teilweise auch finanziell, unterstützt. Auch in Predigten und Aufrufen wird dies deutlich. Und es gibt eine große weltweite Bewegung "Christians for Future". Es sind also nicht nur einzelne Stimmen in der Kirche, sondern sehr große Teile der Kirchen. Die Christlichen Pfadfinder gehören übrigens auch dazu.