Umgang mit der Fanszene: Polizisten als Postboten

Polizisten haben einen Braunschweiger Fußballfan zu Hause besucht, um ihm eine Vorladung persönlich zu übergeben. Die Fans fühlen sich provoziert.

Gelb-blaue Braunschweig-Fans stehen schwarz gekleideeten, behelmten Polizisten gegenüber

Eintracht-Fans und Polizei sind sich schon lange nicht grün: hier nach einer Partie gegen Wolfsburg Foto: Julian Stratenschulte/dpa

BRAUNSCHWEIG taz | Zeit für konstruktive Gespräche wäre jetzt genug. Während der Fußball wegen Corona ruht, könnten die Fanszene in Braunschweig und die ortsansässige Polizei sich annähern. Aber das Misstrauen ist groß, weil sich der harte Kern der Stadionbesucher von Eintracht Braunschweig durch Ordnungshüter unter Druck gesetzt fühlt.

Das jüngste Beispiel sieht so aus: Die Blau-Gelbe Hilfe, eine aus der Eintracht-Fanszene entstandene Interessenvertretung, unterstellt der Polizei bewusste Einschüchterungsversuche. Beamte haben einen Fan zu Hause besucht, um ihm eine Vorladung persönlich auszuhändigen. „Die Polizei Braunschweig“, heißt es dazu auf der Webseite der Blau-Gelben Hilfe, „hat zum wiederholten Mal versucht, Druck auf einen vermeintlich beschuldigten Eintracht-Fan auszuüben.“

Der Stein des Anstoßes ist aus Sicht der Fanszene und der Polizei eine Kamera. Im Eintracht-Stadion an der Hamburger Straße in Braunschweig ist vor der Saison 2019/20 die Sicherheitstechnik um sechs neue Kameras ergänzt worden. Eine davon wird bei Heimspielen regelmäßig von Zuschauern beklebt und damit dienstunfähig gemacht.

Wegen dieser Form von Sachbeschädigung wird gegen einen Fan ermittelt. Eine Vorladung auf dem postalischen Weg hat angeblich nicht geklappt. Also wurde das Schriftstück von Polizisten vor Ort übergeben.

Polizei traut Post nicht

„Wir als Behörde müssen ermitteln. Da ist es legitim, eine Vorladung persönlich zuzustellen, wenn sie postalisch nicht zugestellt werden konnte“, sagt Stefan Weinmeister, Pressesprecher der Polizei Braunschweig. Man würde in einem solchen Fall – trotz der Außenwirkung – selbst einen Besuch beim Arbeitgeber für gerechtfertigt halten.

Kaum überraschend ist, dass das Vorgehen der Polizei auf Fan-Seite auf wenig Zustimmung stößt. „Das ist unverhältnismäßig und betrifft nicht nur unsere Fanszene. Das hat schon System“, sagt Mike Wasner, Sprecher der Blau-Gelben Hilfe.

2017 hatte es ähnliche Vorwürfe gegenüber der Polizei auch im Umfeld des FC St. Pauli gegeben. Hier kam die „Braun-Weiße Hilfe“ zu dem Schluss, dass es sich um gezielte Einschüchterungsversuche der Polizei gegenüber Vereinsanhängern gehandelt habe.

Bei den Ermittlungen in Braunschweig, für die am 12. März bei dem Beschuldigten an der Haustür geklingelt wurde, geht es nüchtern betrachtet um eine ganz normale Straftat. Das Bekleben der Überwachungskamera, damit diese keine tauglichen Bilder mehr liefern kann, wird von der Polizei als Manipulation und Sachbeschädigung gewertet.

Die Blau-Gelbe Hilfe bestätigt, dass die teure Videoüberwachung immer wieder mit Folie beklebt wird. Diese sei aber leicht ablösbar. Und überhaupt: „Wir wollen keine Straftaten decken. Aber wir möchten gerne wissen: Wer betreibt diese Kameras? Was ist mit dem Datenschutz?“, fragt Wasner für die Blau-Gelbe Hilfe.

Mike Wasner, Blau-Gelbe Hilfe

„Wir möchten wissen: Wer betreibt die Kameras? Was ist mit dem Datenschutz?“

Die Fronten zwischen Fanszene und Polizei seien verhärtet. Man habe mehrfach einen Dialog angeboten, bekomme aber keine Rückmeldung. Die Polizei wiederum legt Wert darauf, zu betonen, dass man vor allem bezüglich der Kamera in Block Neun viele Gespräche geführt habe. Einer Deinstallation der umstrittenen Überwachungstechnik könne nicht zugestimmt werden.

Sind die Kameras im Stadion Teil einer wichtigen Gewaltprävention durch die Polizei oder handelt es sich um eine Provokation gegenüber den Fans? Bei dieser Frage auf einen Nenner zu kommen, scheint beiden Seiten zu misslingen. Dass eine Vorladung an der Haustür, und damit potenziell vor Publikum wie etwa Nachbarn, zugestellt wird, erhitzt die Gemüter.

Die Polizei Braunschweig pocht darauf, dass es ihr gutes Recht sei, nicht immer nur Briefe zu schreiben, sondern auch vor Ort zu erscheinen. „Wir setzen etwas um. Und dem Grund des Besuches geht etwas voraus“, sagt Pressesprecher Weinmeister.

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