Harte Landung

Der Senat will den Flughafen Tegel mangels Auslastung schließen – zumindest vorübergehend

Von Claudius Prößer

Es ist einer der Orte, an dem der Stillstand der Stadt besonders eindrucksvoll wirkt: Auf dem Flughafen Tegel herrscht Endzeitstimmung. Seit rund einer Woche ist das durch die Coronakrise schon länger gesunkene Flugvolumen noch einmal zusammengeschnurrt, auf rund 10 Prozent des üblichen Aufkommens, wie die Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg (FBB) mitteilte. An diesem Freitag hoben laut Flugplan nur 21 Flüge von TXL ab: ein paar innerdeutsche Verbindungen von Lufthansa und Eurowings, zumeist Frachtflüge, und wenige innereuropäische Flüge nach Amsterdam oder Kiew. In den Terminals ist es gespenstisch leer.

Und weil sich der Flugbetrieb in den kommenden Wochen und Monaten womöglich noch weiter dem Nullpunkt nähern wird, wird die vorzeitige Schließung von Tegel praktisch unausweichlich werden. Alles andere wäre im Grunde eine grobe Pflichtverletzung der FBB, denn auch ein Flughafen, an dem niemand fliegt, erzeugt Kosten. Um diese in der Krise zu minimieren, hat die Gesellschaft schon am Dienstag Kurzarbeitergeld für die rund 2.200 Mitarbeiter beantragt.

Restflüge nach Schönefeld

In Flughafenkreisen wird die Verlegung der restlichen Flüge nach Schönefeld-Alt als einzig pragmatisches Szenario gehandelt: An den künftigen BER-Terminal 5, wo nach Wegbrechen des kompletten touristischen Flugbetriebs ebenfalls nur noch ein Zehntel des Aufkommens herrscht. Tegel könnte in Ruhe abgewickelt werden. Und Ende Oktober geht dann – wahrscheinlich – der BER an den Start.

Aussprechen wollen das Offensichtliche dennoch nur wenige, etwa der Spandauer SPD-Abgeordnete Daniel Buchholz: „Tegel sollte umgehend geschlossen werden!“, schreibt der Umweltpolitiker auf seiner Webseite. „Die Offenhaltung eines ganzen Flughafens mit allen Teilbereichen und den hohen Sicherheitserfordernissen ist angesichts dieser extrem geringen Auslastung nicht mehr sinnvoll.“

Buchholz spricht indes nur von einer „Aussetzung der Betriebspflicht“, die die Flugverkehrsbehörde in der Senatsverkehrsverwaltung aussprechen solle. Die radikalere – aber logische – Variante wäre die endgültige Entlassung aus der Betriebspflicht. Der verkehrspolitische Sprecher der Linksfraktion, Kristian Ronneburg, lehnt sich nicht so weit aus dem Fenster, sagt aber, es gebe „betriebswirtschaftliche Gründe, die dafür sprechen, dass Tegel geschlossen werden sollte“. Der Antrag müsse von der Flughafengesellschaft ausgehen. Die hält sich auf taz-Nachfrage bedeckt: „In dieser Situation muss alles auf den Prüfstand, das erwarten die Gesellschafter auch von uns“, sagt Sprecher Hannes Hönemann. „Die FBB hat aber eine solche Entscheidung nicht zu treffen, das muss von den Gesellschaftern politisch entschieden werden.“

Bis jetzt war durchgedrungen, dass der Bund selbst gegen eine vorübergehende Schließung war. Die Berliner Zeitung will nun aber erfahren haben, dass die Gesellschafterversammlung am Montag eine vorübergehende Entbindung von der Betriebspflicht bei der Senatsverwaltung beantragen will. Dazu passt eine Aussage von SPD-Finanzsenator Matthias Kollatz am Mittwoch: „Ich werde hier nicht das Versprechen abgeben, dass zum Beispiel Tegel oder eine andere Betriebsstätte des Flughafens nicht temporär geschlossen wird.“