Schließung des Berliner Flughafens: Tegel soll in den Vorruhestand
Der Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft will den Flughafen wegen Corona für zwei Monate schließen. Doch die Entscheidung ist umstritten.
Allgemein war erwartet worden, dass auch die Eigentümer der FBB – die Länder Berlin und Brandenburg sowie der Bund – dieses Vorgehen unterstützen. Offenbar konnten sie sich aber nicht einigen: Sie vertagten sich am Mittwochabend „nach sehr langer und sehr intensiver Diskussion“ auf ein weiteres Treffen in zwei Wochen, wie Rainer Bretschneider, Vorsitzender des Aufsichtsrats der FBB, mitteilte.
Am Beschluss des Aufsichtsrats ändere dies jedoch nichts, betonte Lütke Daldrup. „Wenn ein Bescheid der Behörde vorliegt, dass eine temporäre Befreiung erlaubt wird und der Verkehr weiterhin so schwach ist wie bisher, werden wir die Entscheidung umsetzen“, sagte er.
Laut Bretschneider hätten die Gesellschafter die Möglichkeit, „in den Beschluss einzugreifen, wenn sie das wollen – sie haben es aber nicht getan“. Welcher der drei Eigentümer eine einstimmige Einigung verhindert habe, wollte er nicht sagen.
Tegel verbrennt täglich 200.000 Euro
Als Geschäftsführer habe er die Verantwortung, finanziellen Schaden von der FBB abzuwenden, sagte Lütke Daldrup und nannte die Summe von 200.000 Euro täglich, die der Weiterbetrieb Tegels koste – ohne dass dabei nennenswerte Einnahmen generiert würden. In Tegel und dem anderen Berliner Flughafen Schönefeld werden laut Lütke Daldrup derzeit rund 1.000 Fluggäste abgefertigt – am Tag. Das entspricht gerade mal einem Prozent der üblichen Auslastung.
Der Machtkampf um die Schließung von Tegel hält schon länger an. Das Land Berlin drängt bereits seit einem Monat auf eine temporäre Schließung; eine Entscheidung Ende März hatte jedoch vor allem der Bund blockiert. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hatte am Mittwochvormittag noch einmal eindringlich für eine Schließung geworben: „Es macht keinen Sinn, zwei Infrastrukturen aufrechtzuerhalten mit Tegel und dem alten Schönefelder Flughafen. Dass man sich jetzt konzentriert auf einen Standort ist schon aus wirtschaftlichen Gründen richtig“, so Müller.
Allerdings ist durchaus möglich, dass Tegel nach einer vorübergehenden Schließung gar nicht mehr aufmacht. Sollte der Flugverkehr bis in den Herbst auf niedrigem Niveau verharren – wovon viele Luftfahrtexperten und auch Lütke Daldrup selbst aufgrund der Ausbreitung des Coronavirus und entsprechenden Reisewarnungen ausgehen – dürfte es reichen, bis Oktober Schönefeld zu betreiben und anschließend den BER zu öffnen.
Denn am Dienstag war bekannt geworden, dass das zuständige Amt des Landkreises Dahme-Spree dem BER-Hauptterminal die Betriebsgenehmigung erteilt hat. Damit ist die größte Baustelle auf dem Gelände fertiggestellt – mit je nach Rechnung acht beziehungsweise neun Jahren Verspätung.
Einer Eröffnung des BER wie geplant Ende Oktober steht nun fast nichts mehr im Weg: „Wir haben das Versprechen, das wir Ende 2017 gegeben haben, eingelöst“, sagte Lütke Daldrup am Mittwoch. Wenige Tage nach der BER-Eröffnung würde Tegel planmäßig vom Netz gehen.
Wenn es nach dem Berliner SPD-Abgeordneten Jörg Stroedter ginge, könnte Tegel dauerhaft dichtmachen. In den nächsten Monaten sei weiterhin mit wenig Flugverkehr zu rechnen, erklärte der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende im Abgeordnetenhaus. „Die Flughafengesellschaft Berlin kommt weiter in eine finanzielle Schieflage, wenn nicht unnötige Kosten wie die Offenhaltung von Tegel vermieden werden können.“
Auch die Fraktionsspitze der Grünen im Abgeordnetenhaus will lieber nach vorne blicken: „Jetzt muss es darum gehen, die Nachnutzung von Tegel voranzutreiben und die Finanzsituation der FBB von unabhängiger Seite aufklären zu lassen“, so Antje Kapek und Silke Gebel in einer Mitteilung vor der Sitzung der Gesellschafter. „Langfristig muss das Ziel angesichts der Klimakrise sein, Flugverkehr zu ersetzen – und nicht auszubauen.“
Die nächste Großbaustelle: Finanzen
Neben der nicht abschließend geklärten Frage der Tegel-Schließung dürfte die finanzielle Lage der FBB die Debatte bestimmen. Denn tatsächlich wird die Dauerbaustelle BER – Kostenpunkt gut 6,5 Milliarden Euro – von der Großbaustelle Finanzen abgelöst: Die Flughafengesellschaft braucht staatliche Unterstützung aufgrund der einbrechenden Passagierzahlen durch die Coronakrise.
Zwar sei man „solide finanziert durch den Businessplan“, erklärte der Flughafenchef. Allerdings drücke eine hohe Schuldenlast: „Wir werden weitere Unterstützung benötigen.“ Derzeit planen die drei Gesellschafter eine Eigenkapitalerhöhung von rund 300 Millionen Euro. Meldungen vom Vortag, die FBB stünde vor der Insolvenz, wies Lütke Daldrup indes vehement zurück.
Er prophezeite dem BER trotz der der aktuellen Situation gute Zukunftsaussichten. Abhängig sei das aber davon, wie schnell Reiserestriktionen wegen der Coronapandemie in Europa gelockert würden. Es gebe eine große Nachfrage im Privatreiseverkehr in Berlin, so der Flughafenchef; einen leichten Rückgang erwarte er im Geschäftsverkehr. Bis der Flugverkehr wieder auf dem Niveau vor der Krise ankommen, dürften „zwei bis drei Jahre“ vergehen.
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