China weist US-Journalisten aus: Ausgerechnet jetzt

China verweist 13 US-Journalisten des Landes. Die Regierung begründet das mit Einschränkungen für chinesische Journalisten in den USA.

US-Journalist Steven Lee Myers trägt einen Mundschutz

Der Peking-Korrespondent der „New York Times“, Steven Lee Myers, am Mittwoch Foto: Andy Wong

PEKING taz | In den letzten sechs Jahren hat die Volksrepublik China insgesamt neun Korrespondenten des Landes verwiesen. Allein am Mittwoch traf es nun mindestens 13 Kollegen: Sämtliche US-Bürger der Zeitungen New York Times, Washington Post und Wall Street Journal müssen nach einer Entscheidung des Außenministeriums in Peking innerhalb der nächsten zehn Tage außer Landes gehen. Etwas Vergleichbares hat es in China bisher noch nicht gegeben.

Die drastische Maßnahme ist die Reaktion auf die Ausweisung der US-Regierung von über 60 Journalisten chinesischer Staatsmedien aus den Vereinigten Staaten. Damals blieb ein Aufschrei weitgehend aus. In internen Chat-Gruppen des Pekinger Korrespondentenclubs haben lediglich zwei Mitglieder zu einer Solidaritätsbekundung anregen wollen, wurden jedoch deutlich überstimmt. Der Tenor der Diskussion lautete, bei den staatlichen Medien Chinas handele es sich um keine richtigen Medien, sondern Propagandaorgane.

„Es ist nicht richtig, die Restriktionen von Peking mit denen der Vereinigten Staaten von Beginn des Monats zu vergleichen“, sagt Cédric Alviani von der Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen. Die Journalisten der US-Medien würden unabhängig und nach ethischen Standards berichten, die staatlichen Medien Chinas würden nur Propaganda für die Kommunistische Partei liefern.

„Rückblickend betrachtet sind die Arbeitsbedingungen für die Berichterstattung so schwierig geworden, dass viele der Chinaartikel, auf die ich am meisten stolz bin, tatsächlich außerhalb des Landes entstanden“, schreibt Gerry Shih von der Washington Post, einer der betroffenen Journalisten, auf seinem Twitter-Account. Darunter wegweisende Berichte über das Ausmaß der Internierungslager im westchinesischen Xinjiang, in denen die muslimische Minderheit der Uiguren zu Hunderttausenden festgehalten wurden und zum Teil noch immer werden.

Drastische Maßnahmen

Ebenfalls die New York Times war führend bei der Veröffentlichung von Regierungsleaks und hat auch immer wieder über die Korruption hochrangiger Parteikader in China berichtet. Alle Zeitungen, die nun von der Ausweisung ihrer Korrespondenten betroffen sind, waren übrigens längst in China gesperrt. Man benötigt eine VPN-Software, um ihre Webseiten aufrufen zu können.

Gerade in den nächsten Monaten wäre ihre kritische Berichterstattung unerlässlich

Die großen amerikanischen Tageszeitungen zählen zu den wenigen Medien, die in China Büros mit ausreichend Journalisten für investigative Recherchen unterhalten. Gerade in den nächsten Monaten wäre ihre kritische Berichterstattung unerlässlich gewesen, etwa wenn es um die Rolle der Behörden und der Regierung beim Vertuschen des Virusausbruchs geht.

Gleichzeitig nämlich startet China derzeit eine massive Propagandakampagne – sowohl an seine Bevölkerung als auch international –, um seinen Kampf gegen das Virus einzig als eine heroische Heldengeschichte darzustellen. Internetzsensoren arbeiten umfassender denn je, um kritische Kommentare zu löschen und die Vergehen der Kommunistischen Partei vergessen zu machen.

Vom Hongkonger Korrespondentenclub heißt es unterdessen, man sei „sogar noch mehr besorgt darüber, dass (den Journalisten) auch die Arbeit in Hongkong untersagt ist. Schließlich hat Hongkong sein eigenes System, unter dem die Pressefreiheit per Gesetz verankert ist.“

Tatsächlich ist es eine der bislang drastischsten Weisen, in der Peking seinen Machtanspruch gegenüber der Sonderwirtschaftszone zeigt. „Wir sind nicht überrascht“, sagt die Hongkonger pro-demokratische Abgeordnete Claudia Mo. Peking verletze das Prinzip „ein Land, zwei Systeme“, das der ehemaligen britischen Kolonie bis 2047 weitestgehende Autonomie und Sonderrechte einräumt, drastisch.

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