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SWR-Doku zu Corona-AusbruchUmstrittene Staatsbilder

Eine SWR-Doku über Corona in Wuhan arbeitet mit Bildern der staatlichen Produktionsfirma CICC aus China. Nun wird diskutiert, ob das in Ordnung ist.

Krankenschwestern in Krankenhaus in Wuhan Foto: reuters

Der Film ist noch gar nicht gelaufen, da schlagen die Wellen schon hoch. Am kommenden Montag läuft in der Reihe „Story im Ersten“ eine Dokumentation über die ersten Wochen der Coronakrise. „Wuhan – Chronik eines Ausbruchs“ geht der Frage nach, wie es in der chinesischen Millionenmetropole zur Pandemie kam und was wirklich geschah.

Produziert wurde der Film von der Gebrüder Beetz Filmproduktion, verantwortlicher Sender ist der SWR. Das meiste Drehmaterial aber kommt aus China – von der staatlichen Produktionsfirma CICC. Die Abkürzung steht für China Intercontinental Communication Center, CICC ist damit Teil der chinesischen Auslandspropaganda. Eingeordnet werden die Ereignisse in Wuhan laut Presseankündigung, von deutschen Experten wie Lothar Wieler vom Robert-Koch-Institut und den mittlerweile allseits bekannten Virologen Hendrik Streeck aus Bonn und Christian Drosten von der Berliner Charité.

An der Frage, ob man solches Material aus staatlichen chinesischen Quellen nehmen darf, scheiden sich jetzt die Geister. Vor allem für viele deutsche Korrespondent*innen in China wie Lea Deuber von der Süddeutschen Zeitung ist hier eine rote Linie überschritten. Sie schreibt, dass CICC laut unabhängiger verschiedener Quellen verschiedene Manuskript-Versionen eingesehen und auf Änderungen gedrungen habe. Laut Deuber, die Anfang dieser Woche in der SZ als Erste über die Doku berichtete, soll man auch beim in der ARD für China zuständigen NDR wütend sein. NDR-Chefredakteur Andreas Cichowicz sagte der SZ, die Korrespondent*innen des ARD-Studios Peking seien „in dieses SWR-Projekt nicht eingebunden und liefern auch keine Unterstützung“.

Gebrüder-Beetz-Chef Christian Beetz hält dagegen. Dass der SWR aufgrund des Lockdowns kein eigenes Team nach Wuhan schicken konnte, liegt auf der Hand. „Als Dokumentaristen haben wir auch einen etwas anderen Ansatz als die aktuell berichtenden Kolleg*innen“, sagt Beetz: „Wir gehen vom Material aus.“

67 Stunden Rohmaterial

Um wen es sich bei CICC handelt, sei allen Beteiligten von Anfang an klar gewesen und werde im Film deutlich gemacht. „Im Sprechertext heißt es wörtlich: 'Uns ist bewusst: CICC ist Teil des Propaganda-Apparats der Zentralregierung’ und wir schildern klar den Umgang mit diesem Material“, so Beetz zur taz. „CICC hat für den asiatischen Discovery-Ableger Discovery Asia einen Film über Wuhan und den Lockdown produziert, in dem China, die Regierung und die Behörden Helden sind. Da wurden Ärzte beklatscht und am Schluss gesungen. Diesen Film wollten wir nicht.“

Man habe sich aber das komplette Rohmaterial von rund 67 Stunden sichern können. „Darin haben wir Bilder und Aussagen beispielsweise von Ärzten wie der Virologin Lanjuan Li gefunden, die ein ganz neues Licht gerade auf die ersten Wochen in Wuhan werfen.“ Dieses Material hätte auf keine andere Weise beschafft werden können, sagt Beetz. „Wir haben das komplett umgeschnitten, und gleich im ersten Satz des Sprechertextes – der bei uns übrigens von einer Frau gesprochen wird – thematisieren wir die massiven Einschränkungen der Pressefreiheit in China.“ Außerdem wurden alle Aussagen penibel gegenrecherchiert, dazu komme die Einordnung durch die deutschen Experten.

Offiziell habe CICC laut Vertrag zwar „beratend“ mitgewirkt, alle redaktionell-inhaltlichen Entscheidungen hätten aber nur bei ihnen bzw. dem SWR gelegen, so Beetz. Auch der Sender erklärt, man sei sich „der sehr sensiblen Materiallage bewusst“ und habe sich „daher mit dem Produzenten auf ein äußerst gründliches Absichern aller Informationen verständigt, das über den üblichen Rechercherahmen hinausgeht.“ Jede Aussage im CICC-Material sei einem „Drei-Quellen-Check“ unterzogen worden. Außerdem werde die Rolle von CICC im Film transparent gemacht und eingeordnet, so der SWR.

„Natürlich muss man sehr vorsichtig sein, wie man mit CICC arbeitet und wie man mit ihrem Material umgeht“, sagt Beetz. „Mit CICC kann man keinen Film über Menschenrechte oder die Situation in Tibet machen.“ Die Diskussion dürfe aber nicht darum gehen, ob man solches Material verwenden kann, sondern wie man es verwendet. „Wir können und müssen über die Methodik reden und stellen uns gerne der Diskussion, ob wir es richtig gemacht haben“. Und dazu sollte man jetzt erst mal ganz gelassen den Film sehen.

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