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Statt Abschiebung Ausweisung

Angeblicher Gefährder wehrt sich erfolgreich gegen Abschiebung. Trotzdem soll er Deutschland verlassen

Von Reimar Paul

Es kam wie von vielen erwartet: Eine Abschiebung von Ahmet K. aus Göttingen in die Türkei nach dem Sonderparagrafen 58a des Aufenthaltsgesetzes wäre rechtswidrig. Trotzdem muss der 29-Jährige Deutschland wohl verlassen.

Das Bundesverwaltungsgericht gab am Dienstag einer Klage K.s gegen eine vom Niedersächsischen Innenministerium im Frühjahr erlassene Abschiebungsanordnung nach jenem Paragrafen 58a statt. Die nach dem 11. September 2011 ins Gesetz aufgenommene Regelung ermöglicht es den obersten Länderbehörden, AusländerInnen ohne vorherigen Ausweisungsbescheid abzuschieben, wenn von ihnen eine besondere Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik ausgeht oder gar eine terroristische Gefahr droht. 2017 schob Niedersachsen auf dieser Grundlage bereits zwei mutmaßliche islamistische Gefährder aus Göttingen in ihre Heimatländer Algerien und Nigeria ab.

Das Innenministerium in Hannover hatte die Abschiebungsanordnung auch im Fall von K. damit begründet, dass es sich bei dem in Deutschland geborenen Mann um einen radikalisierten Islamisten und Gefährder handele. Zwar sei den Behörden aktuell noch kein konkreter Plan zur Ausführung einer terroristischen Gewalttat bekannt. Doch rechtfertigten tatsächliche Anhaltspunkte die Prognose, dass K. eine besondere Gefahr darstelle.

Es sei davon auszugehen, argumentierte das Ministerium, dass K. nicht nur eine radikal-religiöse Einstellung habe, sondern mit der Terrormiliz „Islamischer Staat“ und deren Märtyrer-Ideologie sympathisiere. Er habe sich in hohem Maße mit einer militanten und gewaltbereiten Auslegung des Islams identifiziert und halte den Einsatz von Gewalt zur Durchsetzung seiner islamistischen Auffassung für gerechtfertigt. Grundlage für die Prognose waren vor allem abgehörte Telefonate.

Das Bundesverwaltungsgericht teilte die Einschätzung der niedersächsischen Sicherheitsbehörden nicht. Wie bereits in einem Eilverfahren im Juni, stellten die Leipziger Richter fest, der Kläger habe sich „noch nicht mit einer Intensität und Nachhaltigkeit dem radikal-extremistischen Islamismus zugewandt“, dass jederzeit eine Gefahr im Sinne des besagte Paragrafen angenommen werden könne. Dass K. mehrfach straffällig wurde, Drogen konsumierte und als waffenaffin gilt, spielte bei dem Richterspruch keine Rolle.

Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts sind nicht mehr möglich. Das Innenministerium will K. deshalb jetzt mit Hilfe des Ausländerrechts loswerden. Unmittelbar nach dem Urteil sei dem 29-Jährigen eine Ausweisungsverfügung ausgehändigt und der Sofortvollzug angekündigt worden. K. bleibt ein Monat Zeit, um auch dagegen zu klagen.

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