Chemieriese will Image verbessern: Sponsored by Bayer

Mit fünfstelligen Beträgen wollte der Chemiekonzern in den USA Einfluss auf die FPA, eine Organisation der Auslandspresse, nehmen.

Bayer-Werksgelände in Leverkusen bei Nacht

Chemieriese mit zweifelhaftem Image – und zweifelhafter Strategie dagegen Foto: Oliver Berg/dpa

BOCHUM taz | Nie waren die mehr als ein Dutzend Mails für die Öffentlichkeit bestimmt, die 2018 zwischen einem Mitarbeiter der Foreign Press Association (FPA) mit Sitz in New York und führenden Repräsentanten der US-Sparte des deutschen Chemieriesen Bayer hin und her gingen.

Gegen Zahlung von 50.000, besser 70.000 Dollar bietet der damalige FPA-Geschäftsführer Thanos Dimadis darin Bayer massiven Einfluss auf die 101 Jahre alte Organisation der Auslandspresse in den USA an: Empfänger der Mails, die der taz vorliegen und über die der britische Guardian zuerst berichtet hat, waren Raymond Kerins, für Bayer in den Vereinigten Staaten verantwortlich für „Kommunikation und Regierungsbeziehungen“, und Christopher Loder, zuständig für „Global Media Relations“.

Gegen Geldzahlung habe er einen „visionären Ansatz“ im Angebot, der „wertvoll“ für Bayer und die FPA sein könne, schrieb Dimadis den beiden Managern am 16. Juni 2018. Möglich seien Diskussionsforen für Journalist*innen „zu jedem Thema, das für Bayers strategische Kommunikation relevant und prioritär“ sei.

Ausdrücklich erwähnt Dimadis die „Landwirtschaft oder jede andere Angelegenheit, die für Bayer von Belang“ sein könnte – offenbar eine Anspielung auf die milliardenschweren Schadenersatz-Prozesse, mit denen Bayers Tochter Monsanto wegen ihres laut Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation „wahrscheinlich krebserregenden“ Pestizids Glypho­sat in den USA kämpft.

Unethisch seien die Angebote an Bayer gewesen, so die Kritik

Denkbar auch: Hintergrundgespräche mit „ausgewählten nationalen und internationalen Journalist*innen“, heißt es in der Mail weiter – natürlich auch die passend zu „Bayers Kommunikationsprioritäten und strategischen Zielen“. Manager Loder könne außerdem „einen Sitz im Beirat“ der FPA-Stiftung Foreign Press Foundation erhalten, warb Dimadis.

Von den Vorschlägen angetan

Zusichern könne er auch, dass bei der Auswahl von Journalismus-Preisträgern der FPA „Bayers strategische Kommunikationspläne und -initiativen“ nicht konterkariert würden. In Aussicht gestellt wurde auch eine „große Konferenz gegen Fake News“ mit Sommer 2019 in New York, organisiert von der FPA – und dem Chemieriesen mit Hauptsitz in Leverkusen.

Dessen Kommunikationsstrategen Kerins und Loder waren von Dimadis’ Vorschlägen offenbar angetan. Am 25. Juni des vergangenen Jahres wurde für 16 Uhr ein Telefonat verabredet – und das lief wohl so gut, dass sich der FPA-Geschäftsführer um 17.17 Uhr wiederum schriftlich überschwänglich für das „positive Feedback“ bedankt, das er erhalten habe – und die Bayer-Manager prompt um Bezahlung seiner „zusätz­lichen Arbeit“ bittet.

Am 11. Juni sagt ­Loder die tatsächlich zu: Zwar wolle der Konzern kein Geld an eine von Dimadis persönlich geführte Gesellschaft mit beschränkter Haftung zahlen, schreibt der Vize-Präsident von ­Bayers US-Sparte. Allerdings werde der Chemiegigant seine „jährlichen Zuwendungen“ für „zukünftige Projekte“ der FPA aufstocken – um Dimadis’ „persönliche Rolle in diesen Projekten zu beeinflussen“.

Nicht einberechnet hatte Dimadis aber den Widerstand des FPA-Präsidenten David Michaels und seines Stellvertreters Ian Williams. Beide waren 2018 aus persönlichen Gründen wenig präsent: Michaels kümmerte sich um seine mittlerweile verstorbene Frau, und Williams hatte eine Herzoperation.

„Schockiert“ sei er gewesen, sagt Williams, als er den Deal nach seiner Rückkehr entdeckte: Die Mails zeigten in aller Klarheit, dass Bayer versucht habe, die „FPA zu kaufen“. „Unethisch“ seien die Angebote an Bayer gewesen, urteilt auch FPA-Präsident Michaels. Zusammen mit der Vorsitzenden der FPA-Stiftung FPF, Nancy Prager-Kamel, habe Dimadis versucht, ihn und Williams zu verdrängen und die Führung der Organisation der Auslandskorrespondenten zu übernehmen – und dabei in Kauf genommen, „die Unabhängigkeit und die Professionalität der FPA zu unterminieren“.

Keine inhaltlichen Zugeständnisse

Dimadis dagegen weist alle Vorwürfe zurück. Er habe 2018 in erster Linie für die Stiftung gearbeitet, argumentiert er in einer Mail an die taz – und zwar eben nicht als Journalist, sondern als spendensammelnder Fundraiser. Außerdem deutet er an, sein Vorgehen sei von den FPA-Chefs zumindest toleriert worden – und leitet eine auf den 3. Mai 2018 datierte Mail von Michaels an ­Kerins und Loder weiter, in der sich der FPA-Präsident ebenfalls um eine Bayer-Zuwendung in Höhe von 50.000 Dollar bemüht.

Allerdings: Inhaltliche Zugeständnisse macht Michaels darin nicht. In seiner Mail vom 16. Juni betont Dimadis selbst, dass Michaels keine Kenntnis von der Bayer angebotenen inhaltlichen Einflussnahme habe: „Von all dem, was wir diskutiert haben, weiß ­David (Michaels, die Red.) nichts“, warnt er ­Kerins und Loder vorsorglich.

Außerdem versucht Dimadis die Guar­dian-Autorin Carey Gillam, die seine Deals erst aufgedeckt hat, als Aktivistin zu diskreditieren: Die Agrarexpertin aus Kansas, die mehr als 25 Jahre im Geschäft ist und 17 Jahre für die Nachrichtenagentur Reuters gearbeitet hat, sei gar keine Journalistin des Guardian, sondern verfasse dort lediglich „Beiträge“.

Gillam, die sich bei der Glyphosat-kritischen Initiative „U.S. Right to know“ engagiert und immer wieder auf mögliche Krebsgefahren durch das Pestizid hingewiesen hat, klagt dagegen die Bayer-Tochter Monsanto an: Der Glyphosat-Hersteller fahre eine Kampagne gegen sie. Deren Ziel sei die „Zerstörung“ ihrer Reputation als Journalistin.

Auch die taz wollte Bayer schon einschüchtern

Typisch für Monsanto und Bayer sei nicht nur die Kampagne gegen ­Gillam, sondern auch der Deal mit Dimadis, findet Axel Köhler-Schnura von der Bürgerinitiative Coordination gegen Bayer-Gefahren, die den Konzern seit 1978 kritisch begleitet. „Einflussnahmen dieser Art sollten niemanden mehr überraschen“, sagt der Umweltaktivist.

Er erinnert an die geheimen Monsanto-Listen, mit denen der Pestizid-Hersteller noch 2016 Informationen über Glyphosat-Gegner und -Befürworter sammelte. Auch die taz wollte Bayer schon einschüchtern – doch der Versuch, eine satirisch aufgemachte Titelseite zum Glyphosat-Mittel Roundup („Das Krebs-Rundumpaket“) verbieten zu lassen, scheiterte spektakulär.

In Deutschland reagiert Bayers Leverkusener Zentrale deshalb äußerst schmallippig auf Nachfragen der taz zur Affäre rund um die FPA. Auf einen umfangreichen Fragenkatalog antwortet ein Konzernsprecher erst auf mehrfache Nachfrage – und lediglich mit einer ganze zwei Zeilen umfassenden Mail: Für Bayer habe der „Kollege ­Kerins“ doch bereits im Guardian „umfassend Stellung bezogen“, heißt es darin nur. Denn natürlich weisen Kerins und Loder sämtliche Vorwürfe zurück, sie hätten versucht, die FPA zu kaufen: Die US-Sparte des Leverkusener Chemieriesen habe lediglich die Fortbildung von Journalist*innen fördern wollen. „Nichts“ sei im Gegenzug erwartet worden, lässt sich Kerins zitieren.

Von der engen Zusammenarbeit mit Dimadis will Kerins dagegen nicht lassen. Zusammen mit der ehemaligen FPF-Stiftungsvorsitzenden Pager-­Kamel hat er eine neue Organisation gegründet, die der 101 Jahre alten FPA Konkurrenz machen soll. „Association of Foreign Correspondents in the United States“ heißt die, und ihre Anschubfinanzierung ist gesichert: Für Fortbildung und Stipendien kamen 50.000 Dollar – von Bayer. Der Leverkusener Konzern, lässt sich Kerins in einer Pressemitteilung zitieren, sei eben „ein unerschütterlicher Unterstützer der Presse­freiheit“.

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