Stadtentwicklung und Gentrifizierung: Kein Kampf gegen Windmühlen

Amazon will in das geplante Hochhaus an der Warschauer Brücke ziehen. Die Kampagne Berlin vs. Amazon möchte das verhindern.

Auf einem Banner gegen den Bau eines Amazon-Hochhauses steht: Fight the tower – Figth the Power

In Friedrichshain werden Tech-Giganten entschieden bekämpft Foto: Henrike Koch

Mit einem ersten Aktionstag hat die Kampagne Berlin vs. Amazon ihren Kampf gegen das Unternehmen begonnen. Im Oktober war bekannt geworden, dass der Tech-Gigant mit rund 3.400 Entwickler:innen an die Warschauer Brücke ziehen wird. Dort soll bis zum Jahr 2023 ein 140 Meter hoher Turm neben der East Side Mall entstehen. Amazon plant, 28 der 35 Stockwerke zu belegen.

Die Aktivist*innen lassen am Samstag keinen Zweifel an ihrer Entschlossenheit, den Einzug zu verhindern. Das Bündnis Berlin vs. Amazon besteht aus lokalen Initiativen, Anwohner:innen, Tech-Arbeiter:innen und Künstler:innen, die in Gruppen wie Tech Workers Coalition und Bizim Kiez sowie Bündnissen beziehungsweise Kampagnen wie Make Amazon Pay und No Google Campus aktiv waren.

„Wir haben bis 2023 Zeit, um Stunk zu machen“, ruft ein Aktivist ins Mikro. Über ihm flattern bunte Anti-Amazon-Wimpel im Wind. „Auf der einen Seite gibt es die Mietbremse, auf der anderen Seite wird die Tür für Großkapital weit aufgemacht“, ärgert er sich über die Stadtpolitik. Die Anwesenden sind sich sicher, dass der Einzug der Tech-Firma die Gentrifizierung in Berlin beschleunigen wird. Viele im Kiez befürchten, sich die eigene Wohnung bald nicht mehr leisten zu können. „Der Letzte macht das Licht aus“, kommentiert ein Anwohner lakonisch, der sich vor Ort informiert.

„Die Gentrifizierungsprozesse, die Tech-Urbanismus auslöst, werden ganz Berlin betreffen“, prophezeit Konstanze von Berlin vs. Amazon, die ihren Nachnamen nicht in der Zeitung lesen will. Die ersten Opfer sieht sie im familienbetriebenen Einzelhandel in Friedrichshain. Auch alternative Kulturräume wie das RAW-Gelände seien gefährdet. Tech-Hotspots wie Seattle und Silicon Valley zeigten, was drohe: explodierende Mietpreise, zunehmende Obdachlosigkeit, die Zerstörung sozialer Netzwerke und eine wachsende Einkommensschere. „Amazon wird sich hochqualifizierte Kräfte hierher holen, und diese Tech-Elite wird die Preise nach oben treiben.“ Ein schönes Leben gebe es dann nur noch für Gutverdienende.

Amazon kein willkommener Nachbar

Auch aus anderen Gründen ist Amazon für das Bündnis kein willkommener Nachbar: Die Firma ist bekannt für die massenhafte Vernichtung neuwertiger Waren, die Ausbeutung seiner Mitarbeiter:innen, den Aufbau digitaler Überwachungsinfrastrukturen und die Zusammenarbeit mit Abschiebebehörden. Außerdem zahlt das Unternehmen keine Steuern.

Konstanze ist zuversichtlich, dass das neue Amazon-Entwicklungszentrum verhindert werden kann: „Es ist möglich, wir kämpfen hier nicht gegen Windmühlen“, sagt sie. „Hier können wir zeigen, dass man als Anwohnende und Aktivistin doch noch was erreichen kann.“

In den nächsten Monaten wollen die Aktivist:innen sichtbarer werden, Allianzen schmieden und die Nachbarschaft mobilisieren. Sie wissen, dass sie einen langen Atem brauchen: „Wir wollen nicht einen großen Knall, sondern nach und nach wachsen und immer größeren Druck aufbauen.“

Protesterfolge an anderen Orten machen Mut: Anfang des Jahres haben Aktivist:innen eine neue Amazon-Zentrale im New Yorker Stadtteil Queens verhindert. Die Mobilisierungen waren auch von der erfolgreichen Kreuzberger Kampagne No Google Campus inspiriert. Nun heißt es wiederum siegessicher in Friedrichshain: „Berlin is the next New York.“

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