: Kohle raus aus der Kohle
Statt auf Umweltschutz setzen viele Unternehmen auf Profite. Aktivist*innen wollen Anleger*innen dazu bewegen, kein Geld in dreckigen Strom zu investieren. Sie fordern stattdessen Divestment
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Von Lena Sünderbruch und Joachim Bete
Vor Kurzem hat die Stadt Düsseldorf ihre RWE-Aktien verkauft. Sie zog ihr Geld damit aus einem Unternehmen ab, das sein Geld größtenteils mit Kohle und Gas verdient – und so zur Klimakrise beiträgt. Was Düsseldorf getan hat, heißt Divestment – das Gegenteil von Investment.
Fast alle deutschen Städte wirtschaften mit Aktien oder Fonds, um die kommunale Infrastruktur auszubauen oder Renten ehemaliger Mitarbeiter*innen zu bezahlen. Münster war 2015 die erste deutsche Stadt, die ihre finanziellen Mittel aus ökologischen Gründen zurückgezogen hat. Seitdem sind zehn Städte und einige Bundesländer dem Vorbild gefolgt und reinvestieren ihr Geld in Wertanlagen, die klimafreundlicher sind. Das Land Berlin hat einen Fonds, in dem kein Unternehmen vertreten ist, das sein Geld mit fossilen Energien verdient. Gibt es eine grüne Finanzwende?
Mit der Klimabewegung 350.org und der Kampagne Fossil Free ist die Idee des Divestment von den USA nach Deutschland gekommen. Die Forderung: „Raus mit der Kohle aus der Kohle“. Kate Cahoon von Fossil Free Deutschland sieht im Trend zum Divestment auch einen Erfolg von Klimaaktivist*innen und ihren langjährigen Kampagnen. Fossil Free gehe es darum, den politischen Einfluss der Kohle-, Öl- und Gaskonzerne zu schwächen und zu zeigen, wie diese ohne Rücksicht auf Menschen und Klima handeln würden und nicht zukunftsfähig seien. „Es ist nicht in Ordnung, wenn Städte dieses Geschäftsmodell durch Aktien mittragen“, sagt die Aktivistin.
Die Europäische Investitionsbank hat angekündigt, die Förderung fossiler Energien Ende 2021 einzuschränken. Von den Mitgliedsstaaten gegründet, ist die milliardenschwere Förderbank die wichtigste Finanzierungsinstitution der Europäischen Union. Damit kann sie eine Vorbildfunktion in Europa einnehmen. Ein schneller Perspektivenwechsel sei nötig, sagt Gerhard Schick, Finanzexperte und ehemaliger Bundestagsabgeordneter der Grünen.
Inzwischen kämpft er mit seiner Bürgerbewegung „Finanzwende“ für eine ökologische Finanzbranche. Er sagt, die Finanzmärkte würden nicht im Sinne der Gesellschaft handeln, immer noch fließe zu viel Geld in klimaschädliche Energien. Der Finanzsektor sei ein Teil des Problems. „Es geht nicht nur darum, aus den fossilen Energien auszusteigen, sondern auch darum, in ökologische Alternativen zu investieren.“
Eine Studie der Uni Zürich kam zum Ergebnis, Divestment bewege Unternehmen kaum zum Umdenken. Trotzdem glaubt Schick, dass dieses Mittel nützlich sein kann: Wenn weltweit immer mehr Akteure an den Finanzmärkten verstünden, dass ein solches Unternehmen keine Zukunft hat und deswegen seine Aktien nicht kauften, dann sei das ein klares Signal. „Wenn Divestment an sehr vielen Stellen stattfindet, hat das eine massive Wirkung, weil schmutzigen Unternehmen dann die Finanzierung schwerfällt.“ Denn Divestment schreckt Unternehmen sehr wohl ab: Der Ölriese Shell diskutierte in seinem Jahresbericht 2017 die finanziellen Folgen.
Seit einigen Jahren interessieren sich sogar Versicherer und Banken für ökologische Investitionen. Die Versicherungskonzerne Generali und Axa beispielsweise haben im vergangenen Jahr 4,4 Milliarden Euro aus fossilen Energien abgezogen und stecken ihr Geld nicht mehr in Unternehmen, deren Umsatz oder Stromproduktion zu mehr als 30 Prozent aus Kohle stammt.
Schleswig-Holstein hat die Idee des ökologischen Investments übernommen; andere Bundesländer wie Hessen, Baden-Württemberg oder Brandenburg spielen mit dem Gedanken nachzuziehen. Sollten noch mehr Akteure umdenken, könnte Divestment bald ein global wirkungsvolles Instrument für mehr Klimaschutz sein.
Lena Sünderbruch, freie Journalistin; Joachim Bete, Student der EnBW
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