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Jetzt wird sich links vorgeknöpft

In Leipzig wird eine SoKo zum Linksextremismus gegründet, in Hamburg laufen Observationen

Leipzigs Bürgermeister Burkhard Jung (SPD) fühlt sich gar an die Anfänge der RAF erinnert

Von Katharina Schipkowski und Konrad Litschko

Es ist eine Ansage. In zwei Wochen soll in Sachsen eine SoKo Linksextremismus an den Start gehen. 20 PolizistInnen und zwei Staatsanwälte, die linksmilitante Strukturen im Land aufklären sollen. „Wir lassen es nicht zu, dass eine linksextremistische Szene den Rechtsstaat und seine Bürger terrorisiert“, erklärt Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU).

Vorausgegangen waren mehrere Brandanschläge auf Leipziger Neubauprojekte und ein Angriff auf eine Immobilienmaklerin, die die Behörden Linksradikalen zuordnen. Hier lobt die Polizei bereits jetzt 100.000 Euro für Hinweise auf die Täter aus – so viel wie in den letzten zehn Jahren in Sachsen nicht. Zuletzt gab es auch Brandanschlägen auf Baufahrzeuge in Bautzen und Rodewisch. Auch hier lobte das sächsische LKA am Donnerstag nun je 30.000 Euro für Hinweise auf die Täter aus. Bislang seien keine verwertbaren Hinweise eingegangen, sagte ein LKA-Sprecher der taz. Tatverdächtige gebe es weiter nicht.

Dafür wurden auch anderenorts zuletzt die Töne gegenüber der linksradikalen Szene verschärft. Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang warnte vor einem „kontinuierlich gestiegenen Aggressionsniveau“ der Szene. Polizisten würden angegriffen, aktuell würde versucht, den Klimaprotest zu unterwandern. 9.000 gewaltbereite Linksextreme zähle man bundesweit. Auch Berlins Innensenator An­dreas Geisel (SPD) verurteilte jüngst Stein- und Flaschenwürfe auf einer linken Demo „aufs Schärfste“. Und Leipzigs Bürgermeister Burkhard Jung (SPD) fühlte sich gar an die Anfänge der RAF erinnert.

Die Hamburger Polizei hat am zweiten Jahrestag der G20-Proteste, dem 7. Juli 2019, einen ungewöhnlich dicken Fang gemacht: Sie nahm drei junge Erwachsene fest, die nachts auf einer Parkbank saßen. In einem Rucksack fanden die Ermittler*innen Brandsätze und einen Notizzettel mit Adressen, die mit der Hamburger Wohnungswirtschaft in Zusammenhang stehen. Dass die drei observiert worden waren, streiten Polizei und Innenbehörde ab. Offi­ziell heißt es, sie hätten sich auffällig verhalten. In der linken Szene ist man sich jedoch sicher, dass das Trio observiert wurde. Die Rede ist von einem offenen Geheimnis, das für Unruhe gesorgt habe. Wer wird noch alles observiert?

Die zwei jungen Männer sitzen seitdem in Untersuchungshaft, die dritte Person, eine junge Frau, ist unter Auflagen frei. Die Generalstaatsanwaltschaft wirft ihnen „gemeinschaftliche Verabredung zum Verbrechen der schweren Brandstiftung in Tateinheit mit dem Verstoß gegen das Waffengesetz“ vor. Die Ermittlungen sind abgeschlossen, die Anklageschrift und die Bekanntgabe der ersten Prozesstermine werden in den kommenden Tagen erwartet. Die Anwält*innen der Betroffenen hüllen sich bislang in Schweigen. Derweil erfahren die „drei von der Parkbank“ bundesweit Solidarität von linken Gruppen, die Solifotos schicken und Briefe in den Knast schreiben.

Währenddessen läuft noch immer die Großfahndung nach G20-Randalierer*innen, unter anderem mit der umstrittenen Gesichtserkennungssoftware Videmo 360. Die Ermittlungsgruppe „Schwarzer Block“ analysiert damit biometrische Gesichtsmerkmale und kann so ganze Bewegungsprofile all jener erstellen, die sich während des Gipfels durch die Stadt bewegt haben. Der Hamburger Datenschützer Johannes Caspar hatte schwerwiegende Bedenken geäußert, die Innenbehörde musste sich vor Gericht für den weiteren Einsatz der Software verteidigen. Doch das Verwaltungsgericht gab der Innenbehörde recht. Der Datenschützer muss nun das schriftliche Urteil abwarten, um Berufung einlegen zu können.

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