Bürgermeister hofiert Industrie: Warme Worte für die Wirtschaft

Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher macht der Industrie weitgehende Zusagen. Der BUND kritisiert Einseitigkeit und fehlenden Klimaschutz.

Peter Tschentscher steht hinter einem Rednerpult und hält eine Rede.

Schafft der Industrie in der Stadt eine behagliche Atmosphäre: Bürgermeister Peter Tschentscher Foto: Axel Heimken/dpa

HAMBURG taz | Der BUND nennt es „Geheimpapier“, doch das ist ein wenig dick aufgetragen. Trotzdem gibt das am Dienstag vom BUND veröffentlichte Protokoll eines Arbeitstreffens zwischen Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und dem Vorstandschef des Hamburger Industrieverbandes, Matthias Boxberger, interessante Einblicke in Kulissen der Hamburger Politik. In dem Gespräch machte Tschen­tscher Mitte Oktober, so sieht es der BUND, „der Industrie umfangreiche Zugeständnisse zu Lasten von Natur- und Klimaschutz“. BUND-Chef Manfred Braasch kritisiert: „Tschentscher hat einseitige Zusagen zugunsten der Industrie gemacht und sie beim Klimaschutz nicht in die Pflicht genommen.“

Das Gespräch war eine erste Grundlage für ein Hamburger „Bündnis für die Industrie der Zukunft“. Aus dem veröffentlichten Protokoll – dessen Echtheit nicht bestritten wird – geht hervor, dass der Senat sich dabei auf Bundesebene für eine „Novellierung des Verbandsklagerechts mit dem Ziel des Abbaus von Investitionshemmnissen“ einsetzen will. Genau dieses Klagerecht ist der wichtigste Hebel der Naturschutzverbände, ökologisch bedenkliche und rechtlich fragwürdige Projekte auf den juristischen Prüfstand zu stellen – was immer ein Investitionshemmnis bedeutet.

Daneben sagte Tschentscher der Industrie laut Protokoll zu, dass sie freie Brachflächen vorrangig erhält, die Stadt eine Imagekampagne der Industrie mit finanziert und ein „Anwalt der Industrie“ in der Wirtschaftsbehörde etabliert wird. Für Braasch hat Tschentscher damit „dem Druck der Industrie nachgegeben und vor der Wahl Geschenke an sie verteilt“.

Ob dem so ist, wird sich kommenden Montag zeigen, wenn Tschentscher und Boxberger das „Bündnis für die Industrie der Zukunft“ unterzeichnen wollen. Nach Informationen der taz lösten die Tschentscher-Zusagen in der Koalition Unruhe aus. Der Bürgermeister hatte im Februar vor dem Übersee-Club betont, das Bündnis werde den Fokus auf Klimapolitik und technischen Umweltschutz setzen. Doch dazu ist in dem Gesprächsprotokoll und auch in den schriftlichen Bündnis-Vereinbarungen wenig Konkretes zu finden.

Will der Bürgermeister das Verbandsklagerecht aushebeln?

Tschentscher wies am Dienstag darauf hin, dass das im A­pril auf den Weg gebrachte Industrie-Bündnis ein „sehr, sehr transparenter Prozess“ sei. Es solle konkrete Maßnahmen fixieren, „um hochwertige Arbeitsplätze und die Wertschöpfung in Hamburg zu halten aber zugleich den Anforderungen des Klimaschutzes gerecht zu werden.“ Das Bündnis sei mit der Wirtschafts- und der Umweltbehörde „crossgecheckt“.

Zum Thema Verbandsklagerecht betonte der Bürgermeister: „Es muss möglich sein, alle Interessenabwägungen, alle Einspruchsmöglichkeiten, alle Bürgerrechte, alle Verbandsrechte in einem Verfahren zu sichern, das sechs Jahre und keine zwanzig dauert.“ Damit spielte Tschen­tscher auf das langjährige Verfahren zur Elbvertiefung an.

Es gehe – Stichwort „Anwalt der Industrie“ – darum, „sehr viel aktiver die Belange der Industrie mit einzubeziehen“. Wie bei der Wohnungsbau- oder der Grün-Koordination sollten auch sie in die Gesamtentwicklung der Stadt aktiv einfließen. Tschentscher betonte: „Wir werden viele technologische Entwicklungen brauchen, um mit den Unternehmen zu zeigen, wie Klimaschutz unter den Bedingungen einer Industrienation funktioniert.“

Das sieht der Koalitionspartner etwas anders. „Der Bürgermeister hat noch immer nicht begriffen, das technischer Umweltschutz nicht ausreicht, um die Herausforderungen der Klimakrise zu meistern“, sagt ein Bürgerschafts-Abgeordneter der Grünen, der ungenannt bleiben möchte.

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