Parlamentswahl in Polen: Triumph für die PiS

Die nationalpopulistische Regierungspartei PiS erringt erneut die absolute Mehrheit. Die Linke ist wieder im Parlament vertreten.

Ein älterer Mann guckt in die Kamera

PiS-Chef Jarosław Kaczyński nach seiner Stimmabgabe am Sonntag in Warschau Foto: Darko Bandic/ap

WARSCHAU taz | In Polen haben die WählerInnen ein eindeutiges Votum abgegeben. Sie wollen, dass die nationalpopulistische Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) weiterregiert. Dass die PiS ihr Rechtssystem zerstört, über die Staatssender TVP und Polskie Radio fast nur noch Parteipropaganda sendet und auf aggressivem Konfliktkurs mit der EU ist, stört die meisten nicht übermäßig.

Wichtiger sind die Sozialleistungen, die die PiS im Gießkannenprinzip über allen Polen ausschüttet, die Absenkung des Rentenalters und Steuerfreiheit für alle unter 26-jährigen Arbeitnehmer. Nach Auszählung der Ergebnisse in über 90 Prozent der Wahllokale kommt die Partei von Ministerpräsident Mateusz Morawiecki auf 44,5 Prozent der Stimmen und verteidigt damit ihre absolute Mehrheit im Abgeordnetenhaus. Sie kann also wie bisher allein regieren, ohne auf die Opposition Rücksicht nehmen zu müssen.

Die größte Verliererin der polnischen Parlamentswahlen 2019 ist die liberalkonservative Bürgerkoalition, die mit 26,6 Prozent der Stimmen zwar auf dem zweiten Platz landete, aber gegenüber der PiS weit abgeschlagen wirkt und schwer gedemütigt.

Dabei stellte die Bürgerplattform unter Donald Tusk, dem noch bis Dezember 2019 amtierenden EU-Ratspräsidenten, zweimal hintereinander die Regierung Polens. Schuld am Niedergang dieser Partei, die den Wählern dieses Mal kaum etwas anderes als einen Anti-PiS-Kurs anzubieten hatte, ist der derzeitige Parteichef Grzegorz Schetyna.

Ohne Charisma

Uninspiriert, ohne jedes Charisma und seine Ansichten mit den aktuellen Umfrageergebnissen ändernd, ist er seit Jahren einer der unbeliebtesten Politiker Polens. Dass die Partei nicht den Mut hat, ihn ins zweite Glied zurückzuholen, zeugt von einer Feigheit, die die polnischen Wähler übel nehmen und mit einem relativ niedrigen Wahlergebnis abstrafen.

Grund zur Freude hingegen hat die Koalition der linken Parteien, die unter dem Schild der postkommunistischen Linksallianz (SLD) startete. Den Nachwahlbefragungen zufolge können die SLD, der Anfang des Jahres vom charmanten und sich offen als schwul bekennenden Robert Biedron gegründete Frühling (Wiosna) sowie die linksalternative Partei Gemeinsam (Razem) unter Adrian Zandberg mit 12,3 Prozent einen großen Erfolg feiern.

Obwohl Biedron als derjenige gilt, der die Massen begeistern kann, überließ die Koalition es doch Zandberg, sie in allen großen Wahldebatten zu repräsentieren. Das liegt daran, dass Włodzimierz Czarzasty von der SLD ein zu leichtes Angriffsziel für die PiS und die PiS-nahen Medien abgegeben hätte, Robert Biedron hingegen nach den EU-Wahlen im Mai wortbrüchig geworden war und sein EU-Mandat behielt, statt es wie versprochen an ein anderes Wiosna-Mitglied abzugeben. Zandberg hingegen gilt als Politiker, der gut reden kann, klug ist und auch in der Lage ist, schwierige Situationen zu meistern. Er könnte das neue Zugpferd der Linken in Polen werden.

Auch die liberale Bauernpartei PSL, die dieses Jahr gemeinsam mit Kukiz’15, einer „Anti-Systempartei“, wie der ehemalige Rocksänger Pawel Kukiz seine Gruppierung nennt, in die Wahlen startete, kann mit knapp 9 Prozent Zustimmung einen großen Erfolg verbuchen. Manche Umfragen hatten sie unter der Fünf-Prozent-Hürde gesehen.

Kurzer Flirt

Die PSL hat einen großen Teil ihrer eigentlichen Wähler in den Dörfern und auf dem Land verloren, nachdem sie sich einen kurzen Flirt mit der PO und der SLD geleistet hatte. Dies hatte vor allem die durchweg sehr konservativen Priester der katholischen Kirche aufgebracht, die in den ländlichen Gebieten Polens den politischen Ton angeben.

Die PiS verstärkte diesen Entfremdungsprozess noch, indem sie einflussreichen Kirchenmännern wie beispielsweise Pater Rydzyk und seinem Medienimperium Millionen Zlotys an Steuergeldern überwiesen. Die Kirchenmänner revanchierten sich wie gewünscht mit Hetzpredigten gegen Schwule, Lesben und den moralisch degenerierten Westen. Da wollte die PSL nicht mitmachen und schmierte bei ihren rechten Wählern regelrecht ab. Kukiz’15 brachte einen Teil davon zurück.

Aller Wahrscheinlichkeit nach zieht auch die nationalistisch-rechtsradikale Konföderation Freiheit und Unabhängigkeit in polnische Parlament ein. Nachwahlbefragungen geben ihr 6,4 Prozent der Stimmen. Einzelne Politiker dieser Partei waren bereits im bisherigen Sejm, dem polnischen Abgeordnetenhaus, vertreten.

Kukiz’15 hatte sie mangels eigener Kandidaten auf seinen Wahllisten mitgenommen. Die PiS, die eigentlich keine noch rechtere Partei neben sich dulden wollte, hat nun zwei Möglichkeiten, mit der Konföderation umzugehen: entweder umgarnt sie einzelne K-Abgeordnete und zieht sie mit Karriereversprechen zu sich herüber, so dass die Konföderation als Fraktion zerfällt und jede politische Bedeutung verliert. Oder sie positioniert sich lautstark als angeblich volksnahe, aber eben nicht rechtsradikale Alternative zur Konföderation.

Verlust von Einfluss

Polens katholischer Kirche, die in diesen Wahlen wieder kräftig die Propagandatrommel für die PiS rührte, dürfte in den nächsten Jahren zwar wieder finanziell von dieser politischen Anbiederung an Polens Rechte profitieren, mittelfristig aber an Einfluss bei den Gläubigen verlieren.

Schon jetzt bleiben in Polens Städten viele Gläubige den Gottesdiensten fern. Die Botschaft von der angeblichen „Regenbogen-Seuche“, wie sie vom Krakauer Erzbischof im Einklang mit der PiS-Hetze gegen Schwule und Lesben verbreitet wird, entfremdet immer mehr polnische Katholiken ihrer Kirche.

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