: War Stephan B. kein Terrorist?
Nach dem Anschlag von Hallewird nur wegen Mord ermittelt
Von Christian Rath
Der Zeit-Journalist Yassin Musharbash hat die Frage aufgeworfen, warum gegen den Attentäter von Halle nicht „wegen Terrorismus“ ermittelt wird. Die Frage ist interessant, behandelt aber ein Scheinproblem.
Im rechtsstaatlichen deutschen Strafrecht wird immer eine Tat bestraft. Eine bloße Gesinnung ist nicht strafbar. Stephan B., der Täter von Halle, hat zwei Menschen erschossen und versucht, noch viel mehr Menschen zu töten. Deshalb wird gegen ihn wegen Mordes und Mordversuches ermittelt. Mord wird grundsätzlich mit „lebenslanger Freiheitsstrafe“ bestraft. Damit droht dem Täter die härteste Strafe, die das deutsche Strafrecht kennt. Es besteht also keine Strafbarkeitslücke.
Die terroristische Gesinnung eines Täters wird vom Strafrecht nicht ignoriert. Die Tötung eines Menschen wird nur dann als Mord bestraft, wenn eines von neun Mordmerkmalen vorliegt (ansonsten gilt die Tat als Totschlag). Eines der Mordmerkmale sind „niedrige Beweggründe“. Hierzu gehört es, wenn die Tat aus rassistischen oder antisemitischen Gründen begangen wurde oder wenn Unbeteiligte ohne jeden Anlass getötet werden. Auf der symbolischen Ebene wird ein Mord auch dadurch als mutmaßlich terroristische Tat gekennzeichnet, dass der Generalbundesanwalt die Ermittlungen übernimmt. So war es auch nach Halle.
Seit 1976 gibt es das Delikt der Mitgliedschaft in einer „terroristischen Vereinigung“ (§ 129a Strafgesetzbuch). Es wurde 1976 im Zuge der Bekämpfung der RAF eingeführt (bis dahin gab es nur „kriminelle Vereinigungen“). Auf dieses Delikt stellen die Ermittler aber vor allem dann ab, wenn noch keine konkrete Tat nachgewiesen werden kann. Das Adjektiv „terroristisch“ diente damals vor allem dazu, die Vorverlagerung der Ermittlungen ins linke Umfeld der Anschläge und Entführungen politisch zu rechtfertigen.
Es ist eine Ironie der Geschichte, dass sich linke Journalisten heute wundern, wenn konkrete Mordtaten juristisch nicht ebenso explizit als „terroristisch“ gebrandmarkt werden. Politisch kann Stephan B. natürlich trotzdem „Terrorist“ genannt werden.
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