: Deutscher bleibt in slowenischer Haft
İsmet Kılıç befindet sich seit Ende Juli in slowenischer Haft. Während Interpol seine Red Notice zurückzieht, schickt die Türkei neue Dokumente zweifelhaften Inhalts
Von Ali Çelikkan
Der Duisburger İsmet Kılıç befindet sich seit dem 26. Juli in Slowenien in Haft, weil die Türkei ihn per Red Notice suchen ließ. Er bleibt auch nach einer Gerichtsverhandlung am 4. September weiter in Haft. Am Tag nach der Verhandlung schrieb Interpol in einer Notiz an alle Partnerländer, dass die Red Notice im Falle Kılıç aufgehoben werde. Eine Revision habe ergeben, dass das Gesuch nicht mit der Interpol-Verfassung zu vereinbaren sei. Andererseits haben die türkischen Behörden neue Dokumente an die slowenischen Behörden geschickt, die nun erst übersetzt und vom Gericht ausgewertet werden müssen.
Das Gericht hat Abschiebehaft verordnet, da noch „kein eindeutiger Grund“ gegen seine Auslieferung an die Türkei bestehe. Kılıçs Anwalt Pavel Djurkovic sagte der taz gazete, sein Mandant werde gegen diesen Beschluss Einspruch einlegen. Die Entscheidung des Gerichts bedeute allerdings ohnehin nicht, dass Kılıç an die Türkei ausgeliefert werde. Würde Kılıç an die Türkei ausgeliefert, müsste er eine mehrjährige Haftstrafe antreten.
Der 54-jährige İsmet Kılıç war im Juli auf dem Rückweg von einer Urlaubsreise nach Kroatien wegen eines Red-Notice-Ersuchens der Türkei an der slowenischen Grenze festgenommen worden und wird seither in Koper festgehalten. Der Taxifahrer ist sowohl deutscher als auch türkischer Staatsbürger. Wegen gewerkschaftlicher Aktivitäten war Kılıç im Jahr 1996 unter dem Vorwurf der „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“ zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. 1997 kam er als politischer Flüchtling nach Deutschland, wo er 2009 eingebürgert wurde. In der Türkei hatte er als Tierarzt gearbeitet und war im Vorstand der Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes BEM-SEN aktiv.
„Die türkischen Behörden haben nur eine von der Staatsanwaltschaft verfasste Notiz eingereicht, in der nicht einmal die verhängte Haftstrafe genannt wird“, sagt Anwalt Djurkovic. Sein Mandant sei von einem der inzwischen abgeschafften Staatssicherheitsgerichte verurteilt worden.
Slowenien will gelöschte Dokumente sehen
Wenn Kılıç nachweisen kann, dass ihm in einem EU-Land aus politischen Gründen Asyl gewährt wurde, wäre seine Ausweisung an die Türkei rechtlich nicht mehr möglich. Die slowenischen Behörden fordern nun Unterlagen aus Kılıçs Asylverfahren. Allerdings werden die Unterlagen aus Asylverfahren nach 20 Jahren gelöscht. „Deutschland hat meinem Mandanten im Jahr 1997 Asyl gewährt und ihn dann eingebürgert“, sagt Djurkovic. Die slowenischen Behörden könnten das nicht ignorieren.
Ehefrau Nurgül Kılıç kritisiert die mangelnde diplomatische Betreuung: „Wenn die Bundesrepublik Druck ausgeübt hätte, hätte der Richter nicht so entscheiden können.“ Kılıçs Familienangehörige waren davon überzeugt, dass er nach 40 Tagen Haft freigelassen werden würde. Am 7. September fand in Duisburg eine Demo für İsmet Kılıç statt. Der Inhaftierte bedankte sich in einer Sprachnachricht. Er befürchte, trotz der positiven Entscheidung von Interpol könnte es Wochen dauern, bis die von der Türkei übermittelten Dokumente ins Slowenische übersetzt sind: „Ich werde hier ohne Grund gefangen gehalten.“
Der Fall von Kılıç ist nicht der erste dieser Art. Der Schriftsteller Doğan Akhanlı, ebenfalls deutscher Staatsbürger, wurde 2017 in Spanien zunächst festgenommen und dann 40 Tage lang mit einer Ausreisesperre belegt. Akhanlı sagte der taz gazete, dass das Auswärtige Amt in seinem Fall wegen des öffentlichen Drucks zu einer schnellen Lösung gedrängt hatte. „Die Bundesregierung darf nicht danach handeln, ob ein deutscher Staatsbürger bekannt ist oder nicht, sondern sollte alle gleich behandeln“, so Akhanlı. Auch die Bundesregierung sei dafür verantwortlich, dass Kılıç in Slowenien festgehalten wird: „Die deutschen Behörden wussten Bescheid. Sie hätten ihren Staatsbürger warnen müssen.“
Aus dem Türkischen von Levent Konca
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen