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Debatte um Gewalt in ChemnitzAlso doch Hetzjagden?

Die Debatte um die rechten Übergriffe in Chemnitz entbrennt wieder. Ein LKA-Bericht legt nahe, dass es tatsächlich zu Hetzjagden kam.

Die rechten Demonstrationen in Chemnitz reißen nicht ab: „Pro Chemnitz“ am Wochenende Foto: reuters

BERLIN taz | Ein Jahr nach den rechten Ausschreitungen von Chemnitz bricht die Debatte um dortige Hetzjagden auf Migranten wieder auf. Süddeutsche und ARD berichten über einen Bericht des sächsischen Landeskriminalamts (LKA), der nahelegt, dass die dortige Gewalt tatsächlich so bezeichnet werden kann. Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) und der frühere Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen bestreiten dies bis heute.

In dem LKA-Bericht heißt es laut der beiden Medien, die Planungen der damaligen Teilnehmer seien „nicht auf die Durchführung einer friedlichen Demonstration gerichtet“ gewesen. Tatsächlich sei es dann zur „Umsetzung von Gewaltstraftaten gegen Ausländer“ gekommen. In Chats hätten Rechtsextreme geschrieben, dass sie „Bock“ hätten, „Kanacken zu boxen“. Ein anderer Mann behauptete, er habe „drei Kanacken, drei Rotzer, weggeklatscht“. Auch wurde explizit diskutiert, „ob noch eine Jagd ist“.

Ausgangspunkt für die damaligen Ausschreitungen war ein tödlicher Messerangriff auf den Chemnitzer Daniel H. am 26. August 2018. Rechtsextreme, die AfD und Pegida instrumentalisierten die Tat, es kam zu wochenlangen Demonstrationen – und Übergriffen. Für den Messerangriff wurde vergangene Woche ein 24-jähriger Syrer verurteilt. Er bestreitet die Tat bis heute.

Auswertung aus Rechtsterror-Verfahren

Das LKA-Papier, über das nun berichtet wird, ist Teil der Ermittlungen gegen die Gruppe „Revolution Chemnitz“. Acht Rechtsextreme aus dem Raum Chemnitz hatten sich unter diesem Namen zusammengetan. Auch sie hatten sich an den rechten Demonstrationen beteiligt, laut Bundesanwaltschaft planten die Männer aber mehr: rechtsextreme Terroranschläge. Die Gruppe sitzt bis heute in Haft, Ende September beginnt ihr Prozess.

Die zitierten Chats zu den Ausschreitungen in Chemnitz stammen von den Beschuldigten dieses Verfahrens. Es handele sich um eine Auswertung, um „de facto ein Ermittlungsergebnis“, sagte ein LKA-Sprecher am Dienstag der taz. Inhaltlich wollte er sich wegen des laufenden Verfahrens nicht zu dem Gutachten äußern.

Im Grunde ist die Debatte um die Hetzjagden müßig. Denn dass es bei den Demonstrationen Gewalttaten gab, auch Angriffe auf Migranten, ist erwiesen:

– Das LKA Sachsen ermittelt in 138 Fällen zu rechts motivierten Straftaten im Zusammenhang mit den Chemnitz-Demonstrationen. Laut der Generalstaatsanwaltschaft Dresden kam es allein bei den Demonstrationen an den ersten beiden Tagen nach der Messertat zu 38 Gewaltstraftaten. Auf einer weiteren Demonstration am 1. September 2018 soll es erneut zu 37 Strafanzeigen gekommen sein. Dabei wurde etwa ein 20-jähriger Afghane attackiert, der Prellungen am Kopf und eine Schnittwunde im Gesicht erlitt.

– Auch die unabhängige Opferberatung des RAA Chemnitz zählte allein in den ersten Tagen der Demonstrationen 23 Körperverletzungen und 11 Bedrohungen gegen Migranten, Gegendemonstranten und JournalistInnen. Dabei sei es auch zu „Jagdszenen“ gekommen, so der Verein. MigrantInnen seien „angegriffen und gejagt“ worden.

– Schon in einem Einsatzprotokoll der Polizei zu einer der Demonstrationen vom August 2018 hieß es: „100 vermummte Personen (rechts) suchen Ausländer.“ Diese seien „mit Steinen bewaffnet“. An anderer Stelle war die Rede von rechten Teilnehmern, die „gewaltsuchend sind“. Der sächsische Verfassungsschutz resümierte zu den Demonstrationen, dass es „mehrfach zu gewalttätigen Auseinandersetzungen und Übergriffen“ gekommen sei. Die rechtsextreme Szene habe die Aufzüge als „willkommene Gelegenheit für Gewalttaten und Ausschreitungen“ genutzt.

– Auch die Gruppe „Revolution Chemnitz“ schritt bereits zur Tat. In Chats sprachen die Rechtsextremen von „effektiven Schlägen“, die man vorhabe. Gesucht wurde bereits nach Schusswaffen. Mitte September 2018 verabredete sich die Gruppe zu einem „Probelauf“: Mit Quarzhandschuhen, zerbrochenen Flaschen und einem Messer zog die Gruppe durch Chemnitz, schlug einem vermeintlichen Migranten ins Gesicht. Dann, so heißt es als Ermittlungsergebnis, seien die Rechtsextremen auf eine Gruppe von Iranern und Pakistanern „eingestürmt“, eines der Opfer erlitt durch einen Flaschenwurf eine Kopfplatzwunde.

„Übergriffe auf ausländisch aussehende Menschen“

Auch der frühere Verfassungsschutzchef Maaßen räumte im September 2018 hinter den verschlossenen Türen des Innenausschuss im Bundestag ein, dass es in Chemnitz zu „Übergriffen auf ausländisch aussehende Menschen, zu Körperverletzungen, Flaschenwürfen, Verwendung von Feuerwerkskörpern“ gekommen sei. Wortklauberisch bestritt er aber, dass dies auch „Hetzjagden“ waren. Solche Szenen, die man etwa aus Rostock-Lichtenhagen kenne, habe es nicht gegeben, behauptete Maaßen. Nach weiteren Provokationen verlor er schließlich sein Amt. Auch Sachsens Ministerpräsident Kretschmer sagte damals, es habe „keinen Mob, keine Hetzjagd“ gegeben.

Die rechtsextremen Chats der Gruppe „Revolution Chemnitz“, die das LKA Sachsen auswertete, zeichnen nun ein anderes Bild – umso mehr, wenn darin explizit die Rede von einer geplanten „Jagd“ ist. Laut Süddeutsche wurde sich in anderen Nachrichten auch darüber ausgetauscht, ob es „irgendwo Kanacken Schlachten geben wird“. Der mutmaßliche Rädelsführer von „Revolution Chemnitz“, Christian K., habe wiederum geschrieben, dass es einem „neu Zugewanderten“, den er „erwischt“ habe, nicht gut gehe. Er hoffe, dass er noch mal „einen erwische wie gestern“. Ein anderer Chatpartner habe mitgeteilt: „Heute Nacht, definitiv, eskaliert es.“

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15 Kommentare

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  • Der Begriff Hetzjagd stammt von einer Videoüberschrift eines YT-Accounts "Antifa Zeckenbiss". Der veröffentlichte zwei Videos zum 26.8.2018. Dabei wurde nur das Hase Video bekannt. Im anderen redet ein Russe wirres Zeug über Volksverrat und das Video "soll" eine Hatz von Rechten auf die Polizei zeigen.

    Bis heute gibt es keine Erkenntnisse der Bundesregierung, wer hinter diesem Account steckt. Dabei sind Videos vorhanden von durchaus gut beobachteten NS-Aufmärschen so dass es für Behörden kein Problem sein sollte den Filmer zu identifizieren. Unsympath Maaßen hat bezweifelt das es sich um einen Antifa Account handelt. Das denke ich auch. Die Handschrift stimmt nicht.

    Das Problem ist, nachdem das Kanzleramt/Pressesprecher die Botschaft von den Hetzjagden übernahm, man nicht mehr drüber reden konnte. Jedenfalls Ministerpräsident Kretschmer bestritt Hetzjagden.

    Wahrscheinlich ist, dass hinter dem Antifa Zeckenbiss Account ein fremder Nachrichtendienst steht und man zur Vermeidung von außenpolitischen Verwicklungen und Gesichtsverlust das nicht zugesteht. Auch diese Nachricht zum Jahrestag ist nichts als ein Versuch die Peinlichkeit zu verwischen, auch im Hinblick auf den Landtagswahlkampf Sachsen und das aktuelle rechte Trollen von Herrn Maaßen. Man hat ja Angst und Bange um den September in Sachsen.

    • @Ansgar Reb:

      Es gibt jede Menge Videos und auch Aufnahmen von Fernsehsendern, die dokumentieren, was damals los war. Das Hasenvideo ist nur am bekanntesten.

      "Wahrscheinlich ist, dass hinter dem Antifa Zeckenbiss Account ein fremder Nachrichtendienst steht und man zur Vermeidung von außenpolitischen Verwicklungen und Gesichtsverlust das nicht zugesteht."

      ??? Manchmal ist man fast sprachlos, wenn man die neusten Verschwörungstheorien vorgesetzt bekommt.

    • 9G
      970 (Profil gelöscht)
      @Ansgar Reb:

      Worauf begründen diese Annahmen?

  • Zitat: „Ein Jahr nach den rechten Ausschreitungen von Chemnitz bricht die Debatte um dortige Hetzjagden auf Migranten wieder auf.“

    An dieser Stelle wäre ein passiver Ausdruck treffender. Es müsste heißen: „… wurde die Debatte […] wieder aufgebrochen.“

    Debatten brechen weder einfach so los, noch brechen sie wieder auf. Sie können überhaupt nicht kotzen. Das Bedürfnis, „Ätsch!“ zu sagen, haben nur Menschen. Die brechen auf oder auch los, wenn es sie überkommt.

    Das Bedürfnis, recht zu kriegen, ist ein Untertanen-Bedürfnis. Jemand, der das von rechts wegen darf, soll – notfalls posthum – bestätigen: „Er hatte recht, der Gutste.“ Erst wenn man diese Bestätigung hat, hat man als Untertan seine Ruhe. Bis da hin weiß man nicht so recht: Top oder Flop?

    Dass man sich möglicherweise geirrt hat, können Untertanen nicht gut auf sich sitzen lassen. Viel zu gefährlich ist die Möglichkeit, nicht recht zu haben oder doch zu kriegen. Und viel zu schade wäre es um eine Aufstiegschance, die man bekäme, hätte man's immer schon und vor allen anderen gewusst. Einen möglichen Distinktionsgewinn verschenkt man einfach nicht. Es sei denn, man ist dumm und/oder lebensmüde. So war das immer schon, so wird es bleiben. In Ewigkeit. Amen.

    Mitunter sind die Angst oder der Drang offenbar so groß, dass man sich sein Rechthabe-Bedürfnis mangels Alternative von „Autoritäten“ bestätigen lässt, von denen man sich sonst gar nichts sagen lassen würde. Schon zweimal nicht in aller Öffentlichkeit. Von rechtsextremen Internet-Usern etwa. Der Zweck heiligt offenbar die Autorität. Würg.

    Würde „die AfD“ (in Gestalt einer parteieigenen Autorität) zugeben, dass sie heimlich rechtsextrem ist und nur so tut, als sei sie demokratisch, würde sie vermutlich auch zitiert werden in der taz. Von Leuten, die das immer schon behauptet haben. Und wenn man dann schon einer Meinung ist, kann man ja eigentlich auch gleich koalieren, oder? Bauch über Kopf. Und dann über den Rechtsruck schimpfen...!

  • "Im Grunde ist die Debatte um die Hetzjagden müßig."



    Nein, eine Jagd mit Todesabsicht ist ein anderes Kaliber. Und genau davon geht man bei Rechtsextremisten im Kontext der Entmenschlichung aus.



    de.wikipedia.org/w...agd#Hetzjagd_heute

    Man hätte diese Diskussion leicht verhindern können durch korrekte Tatsachenbezeichnung und ohne reißerische Berichterstattung.



    Tötungsabsicht legt da schon eher schwere Körperverletzungen nahe, die mir aus Medienberichten nicht bekannt sind.

    Hetzen oder ähnliche Begriffe ohne die Tötungsabsicht(Jagd) hätten dem politischen Gegner kein mögliches Kontranarrativ auf die Seriösität der Berichterstattung ermöglicht, sodass die Verletztenstatistik als seriöser Verweis genügt.

    • @marxscheEffizienz:

      „Wir werden sie jagen!“ wäre Ihrer historisch korrekten Begriffsklauberei nach dann ja wohl die unmissverständliche Ankündigung politischer Morde. Ich wünschte, Sie wären Staatsanwalt. Die tätlichen Angriffe vonseiten der Rechten sind dokumentiert. Man sollte schon wissen, wovon man redet, wenn man es kleinzureden versucht, damit man nicht implizit den Bolsonaro macht.

      • @Volker Maerz:

        Wenn der Kontext der Aussage entsprechend ist, ja.



        Leider ist Jagd als politischer Ausdruck des Militarismus noch in der Sprache vorhanden:



        www.welt.de/politi...uf-die-Jaeger.html

        Da Politik analog der Kampf ökonomischer Systeme ist [über die Gruppeninteressen], kann man den mit Regeln des Krieges beschreiben(Verlierer wird bestraft).

        Wie würden Sie das sonst besser machen wollen?



        Ich halte nichts davon die Realität zu verdecken.

    • @marxscheEffizienz:

      Was sind denn das für Haarspaltereien?

      Wenn eine Horde Nazis hinter Ihnen her rennt, bekommen Sie Todesangst.

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @warum_denkt_keiner_nach?:

        Stets wundere ich mich über den Hang zu Vereinfachungen.

        Woran sehen Sie denn, ob jemand ein 'Nazi' ist? Trägt der einen Button? Einen blankgeschorenen Schädel? Camouflage-Klamotten? Springerstiefel?

        Ich lege keinen Wert darauf, von einer Horde verfolgt zu werden. Von keiner. Einerlei, ob sie tierisch oder menschlich ist. Und wenn menschlich, so ist mir deren politische Ausrichtung in diesem Moment völlig schnuppe.

        'Todesangst' jedoch ist ein so starkes Wort, dass sich ein sorgfältiger Umgang damit empfiehlt. Ich hatte in meinem Leben eine Handvoll Male Todesangst. Nur in einem Fall war eine größere Ansammlung von Menschen beteiligt: bei der Baader-Meinhof-Hatz 1977. Es waren schwer bewaffnete Polizisten mit ihren Knarren im Anschlag.

        • @76530 (Profil gelöscht):

          "Woran sehen Sie denn, ob jemand ein 'Nazi' ist?"

          Am Verhalten. Zum Rest Ihrer Beschönigungen spare ich mir einen Kommentar.

          • 7G
            76530 (Profil gelöscht)
            @warum_denkt_keiner_nach?:

            Ach.

            Was nicht passt, sind Beschönigungen. Passt zu den Vereinfachungen.

            Auf Aussagen wäre ich gespannt gewesen. Aber brauchen tue ich sie nicht wirklich ...

            • @76530 (Profil gelöscht):

              "'Todesangst' jedoch ist ein so starkes Wort, dass sich ein sorgfältiger Umgang damit empfiehlt."

              Haben Sie ernsthaft damit gerechnet, dass jemand mit Ihnen über solche Sätze diskutiert? Möglichst so lang, bis das Schlimme harmlos klingt?

              • 7G
                76530 (Profil gelöscht)
                @warum_denkt_keiner_nach?:

                Ich hielte es für angemessen, das zu lesen, was niedergeschrieben wurde. Nicht das, was in der eigenen Vorstellungswelt passiert. Keine leichte Übung, wie wir ALLE wissen.

                Todesangst ist gewiss nicht harmlos, wo sie als solche ERLEBT wird. Ich habe Ihnen meine Todesangst beschrieben. Von Ihrer lese ich nichts. Das wäre mal ein Beitrag zu symetrischer Kommunikation gewesen, wie ich sie schätze ...

                Abstrakte Debatten über Todesangst: geschenkt. Raum für viel Rauch um nichts. Und für Unterstellungen der bekannten Art in Sachen Verharmlosung.

                Not to be continued ...

                • @76530 (Profil gelöscht):

                  Wir reden hier über die Vorgänge in Chemnitz. Und von diesen gibt es genug Schilderungen der Opfer.

                  Scheint Ihnen aber nicht klar zu sein...

                  • 7G
                    76530 (Profil gelöscht)
                    @warum_denkt_keiner_nach?:

                    Netter Versuch. Lohnt nicht.