Sprachbarrieren an Schulen: Sprechen und zuhören lernen

Über mangelnde Deutschkenntnisse von Schüler*innen wird wieder debattiert. Dabei ist die Dimension des Problems vielen nicht bewusst.

viele Schulranzen in einer Reihe

Zum Schulbeginn werden mangelnde Deutschkenntnisse wieder schmerzlich sichtbar Foto: dpa

Ein großes Problem, das wir an Schulen haben, sind die unzureichenden Deutschkenntnisse der Schüler*innen. Es ist ein Problem für Lehrer*innen, die den Unterrichtsstoff nicht durchbringen, weil es am grundlegenden Deutschverständnis scheitert, und die darauf in der Ausbildung nicht ausreichend vorbereitet werden.

Vor allem aber ist es ein Problem für diese Kinder und Jugendlichen, die sich schwertun, die richtigen Worte zu finden, sich minderwertig fühlen, schlechte Noten bekommen, nach Bewerbungsgesprächen nicht zurückgerufen werden und selbst merken, dass ihr Deutsch nicht den gesellschaftlichen Anforderungen entspricht.

Der CDU-Politiker Carsten Linnemann sorgte mit seiner Forderung, Kinder ohne ausreichende Deutschkenntnisse erst einmal nicht in die Grundschule zu lassen, für Aufregung. Rassistisch sei der Vorschlag, er würde Parallelgesellschaften fördern und Kinder von Mi­grant*innen ausschließen. Ich wäre wohl derselben Ansicht, hätte ich im letzten Schuljahr nicht selbst unterrichtet und davor ein Projekt an Wiener Brennpunktschulen geleitet.

Unzählige Male wurde ich von Kindern und Jugendlichen gefragt, wieso ich im Gegensatz zu ihnen so gut Deutsch spreche, obwohl ich, oft auch im Gegensatz zu ihnen, nicht in Österreich geboren bin. Lange dachte ich, dass es daran liegt, dass ich selbst ein Gymnasium und keine Hauptschule besucht habe, bis ich vergangenes Jahr Deutsch an einem Gymnasium unterrichtet habe und beinahe verzweifelt bin.

Defizit als Konfliktpotential

Schülerinnen, die „der“ Mädchen sagen, nicht deklinieren können, die Zeiten falsch verwenden und, am verheerendsten, keinen dem Alter angemessenen Wortschatz besitzen, waren in der Mehrheit. Doch es geht gar nicht um die Deutschkenntnisse allein. Der Mangel an Ausdrucksmöglichkeiten ist oft mitverantwortlich für Konflikte, Missverständnisse und Gewalt, denn wer sich mit Worten nicht ausdrücken kann, weiß manchmal nicht anders zu reagieren, vor allem in der Pubertät. Zudem ist es fast unmöglich, dem Schulstoff zu folgen, wenn man am Deutschverständnis scheitert.

Schuld dran sind aber weder Kinder noch Eltern, das habe ich auch gelernt. Viele sind lernwillig und geben Unsummen für Nachhilfe aus. Nur, wie sollen sie das ausgleichen, was Wohn- und Bildungspolitik in Sachen sozia­ler Durchmischung jahrzehntelang versäumt haben? Wenn Kinder schon voneinander nur gebrochenes Deutsch lernen, bevor sie überhaupt in die Schule kommen, die wiederum nicht genug Ressourcen hat, dagegenzuhalten?

Dabei ist diese Herausforderung nicht neu, Gast­arbeiter*innen sind seit den 60er Jahren im Land, ihre Kinder sind hier in die Schule gegangen, jetzt sind es ihre Enkel und neue Generationen von Migrant*innen. Ganz gleich wo man politisch steht, den Kindern ist nicht geholfen, wenn wir ihre Deutschdefizite ignorieren. Aktuell wächst eine Generation ohne Sprache heran, und wir hören ihr einfach nicht zu.

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Autorin "Generation haram", Journalistin, ehemalige Lehrerin, lebt in Wien

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