piwik no script img

„Gelassenheit ist ein Heilmittel“

Matthias Soyka ist Orthopäde und Sportmediziner in Hamburg und kennt die Ängste seiner Patient*innen. Um ihnen Mut zu machen, veröffentlicht er Bücher – und demnächst auch Selbsthilfe-Youtube-Videos

Foto: privat

Matthias Soyka, 61, ist Arzt und Autor (zuletzt: „Dein Rückenretter bist du selbst“, Ellert & Richter 2019, 14,95 Euro). Er ist verheiratet und lebt in Hamburg-Bergedorf.

Interview Yasemin Fusco

taz: Herr Soyka, Sie veröffentlichen bald ihr erstes Youtube-Video. Worum geht es darin?

Matthias Soyka: Ich werde alle zwei Wochen ein Video veröffentlichen, in dem ich eigene Übungen für den Rücken vorführe und gute Hausmittel empfehle. Es soll unterhaltsam sein und Mut machen; weg von der von Angst dominierten Sicht auf Krankheiten. Sie werden heutzutage emotional aufgebauscht. Es sollen bewusst gelassene Informationen sein, denn Gelassenheit ist ein Heilmittel.

Medizin im Netz, geht das einfach so oder gibt es da Dinge zu beachten?

Viel Rechtliches. Es gibt ja viele professionelle und mafiöse Abmahnvereine. Wehe, wenn man nur einen Formfehler begeht. Um das auszuschließen, habe ich mich mit meinem Anwalt und der Ärztekammer ausgetauscht. Ich werde auch keine Produktempfehlungen machen, das war mir wichtig. Die Planung ist durch, wir können Ende August das erste Video veröffentlichen.

Wollen Sie so auch etwas tun gegen Fake News und schlecht moderierte Diskussionsforen zu Gesundheitsthemen?

Ja, das ist mein Hauptanliegen: Gruppen können sich selbst hochschrauben. Die derzeitige Situation im Internet kann man gut mit einem Wartezimmer vergleichen: Ein einziger Panikpatient kann das ganze Wartezimmer mit seinen Symptomen verrückt machen und zu Tode ängstigen. Genau das passiert jetzt im Internet. Da treffen sich die Leute, die mit ihrer Angst andere anstecken und damit Panikwellen auslösen.

Welche Art von Falschinformation ist besonders hartnäckig in Ihrem Beruf?

Vor 20 Jahren war es unter Orthopäd*innen normal, den Patient*innen zu raten, nicht aus den Knien zu heben, weil das gefährlich für den Rücken sei. Heute wissen wir, dass das schlicht nicht stimmt. Es gibt heute multimodale Therapien, bei denen den Patient*innen beigebracht wird, wieder aus dem Kreuz zu heben, damit die Angst, etwas „falsch“ zu machen, vermindert wird.

Warum suchen so viele Menschen bei Gesundheitsfragen Rat im Internet?

Das hat viele Gründe, vor allem gesundheitspolitische. Die bekannte und vieldiskutierte Misere der ambulanten Medizin: Es wird viel Zeit vergeudet. Was da alleine an bürokratischem Quatsch anfällt, fehlt hinterher bei den Patient*innen. Es ist doch normal, dass die sich dann, wenn die Informationen frei zugänglich sind, selbst informieren, aber nicht immer zum Guten. Die meiste Arbeit machen meist nicht schwerkranke, sondern ängstliche und besorgte Patient*innen. Es gibt immer mehr Menschen, die starke Ängste entwickeln und dagegen muss man etwas tun.

Wissen Sie, was sich Ihre Patient*innen wünschen?

Die Mehrheit möchte – früher wie heute – eigentlich in den Sprechstunden wissen, was ich als Arzt an ihrer Stelle machen würde. Daran hat das Internet nicht viel geändert.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen