: Wohlfeile Worte aus dem Weißen Haus
Die Rede Donald Trumps zu den tödlichen Angriffen vom Wochenende hat die Debatte nicht vorangebracht. Es fehlen konkrete Vorschläge, über die diskutiert werden könnte
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Von Bernd Pickert
Eigentlich müsste die Rede eines US-Präsidenten, in der er ankündigt, welche Konsequenzen er aus zwei tödlichen Schusswaffenangriffen in den Tagen zuvor zu ziehen gedenkt, eine ausgedehnte Debatte über seine Vorschläge auslösen. Sie müsste dazu dienen, die spontanen Reaktionen der Öffentlichkeit auf das Blutbad in eine Richtung zu lenken, Besserung in Aussicht zu stellen, konkrete politische Schritte zu befördern. US-Präsident Donald Trump hat mit seinem zehnminütigen Auftritt im Weißen Haus am Montag nichts von alledem erreicht, und die politischen Reaktionen auf Trumps Rede zeigen das.
Zwar hatte Trump sich klar gegen Rassismus, Terror und die Ideologie der „White Supremacy“, der Weißen Vorherrschaft ausgesprochen. Aber er hatte sich in seinen vom Teleprompter abgelesenen Anmerkungen am Montag mehrfach verhaspelt und am Ende sogar noch davon gesprochen, Gott möge jene segnen, die „in Toledo“ ums Leben gekommen seien. Die Massaker hatten sich in Dayton, Ohio und El Paso, Texas zugetragen. All das trug dazu bei, dass zu keinem Moment das Gefühl aufkommen konnte, Trump meine irgendetwas von dem wirklich ernst, was er da ablas – im Unterschied etwa zu seiner Erklärung nach den gewalttätigen Auseinandersetzungen rund um eine Nazi-Demonstration in Charlottesville 2017, als er ohne abzulesen davon sprach, es gebe „auf beiden Seiten sehr feine“ Leute.
Es verwundert also nicht, dass die Rede Trump nicht aus der Kritik der Demokratischen Opposition herausmanövrieren konnte – zumal er weder zur Bekämpfung des Rechtsextremismus irgendetwas Konkretes vorschlug noch zum Thema Schusswaffenkontrolle. So kritisierten ihn die Demokraten weiter als jemand, der Rassismus, Empathielosigkeit, Hass und letztlich Gewalt befördere.
Die wenigen konkreten Forderungen nach der „ohne unnötige Verzögerungen“ anzuwendenden Todesstrafe bei Massenmord und Hassverbrechen und dem möglichen Einsperren psychisch Kranker sowie die eher vagen Hinweise auf mögliche Verantwortung bei sozialen Medien und gewaltdarstellenden Videospielen boten keine Anhaltspunkte für weitere Debatten. Sie schienen schlicht nicht ernst gemeint.
Anders hingegen die Debatte in der Öffentlichkeit. Auch mehr und mehr Kandidaten der Demokraten verlieren die Angst vor dem Einfluss der mächtigen Waffenlobby NRA und fordern dezidiert ein Verbot von halbautomatischen Waffen oder das Schließen der riesigen Lücken bei der Sicherheitsabfrage von am Waffenkauf Interessierten. Selbst die konservative New York Post forderte auf ihrer Titelseite in großen Lettern ein Verbot von Sturmgewehren.
Und neben liberalen Medien verlangen inzwischen auch einige republikanische Mandatsträger, den Rechtsextremismus in den USA als ebensolche Bedrohung zu begreifen wie islamistischen Terrorismus. Gegen letzteren setzte die US-Regierung nach den Anschlägen vom 11. September 2001 ganze Heerscharen von Agenten, Polizisten und Militär in Bewegung, die sich bis heute im „Krieg gegen den Terror“ befinden. Auf den US-Rechtsterrorismus, der seit 9/11 auf US-amerikanischen Boden mindestens genauso viele Menschen getötet hat wie islamistischer Terror, ist lediglich das FBI angesetzt. Ob er weitere Institutionen einbeziehen und mehr Ressourcen bereitstellen wolle – dazu sagte Trump am Montag kein einziges Wort.
Bei bisherigen Amokläufen war der Ablauf immer gleich: Schock, Aufregung, Trauer, Forderungen, nichts passiert. Trump tut alles, dass es wieder so wird.
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